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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jedenfalls gewachsen. Es war Zeit, ihm seine Ohrfeigen mit Zinsen zurückzugeben und ihn dann auch noch arretieren zu lassen.
    „Bitte sprechen Sie nicht mit diesem flegelhaften Geschöpf“, sagte er daher zu dem Oberst. „Ich werde ihn der Polizei übergeben, die am besten weiß, was mit einem solchen Lumpen anzufangen ist.“
    Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, so geschah ein lauter Klatsch im Coupé. ‚Geierschnabel‘ hatte dem Sprecher eine so fürchterliche Ohrfeige appliziert, daß er von seinem Sitz herunterflog.
    Da sprang der Oberst empor und faßte ihn bei der Brust.
    „Halunke!“ rief er. „Das sollst du büßen!“
    „Hand weg! Augenblicklich!“ gebot ‚Geierschnabel‘, indem seine Augen funkelten.
    Er befand sich noch auf seinem Sitz, während der Oberst vor ihm stand.
    „Was?“ antwortete der letztere. „Befehlen willst du mir? Da nimm hin, was dir gehört!“
    Er holte zu einer Ohrfeige aus, brach aber in demselben Augenblick mit einem lauten Schmerzensschrei zusammen. ‚Geierschnabel‘ hatte mit der Linken den Hieb pariert und ihm die rechte Faust echt boxgerecht in der Weise in die Magengrube gestoßen, daß er sofort kampfunfähig war.
    Ravenow konnte seinem Verbündeten nicht zu Hilfe kommen. Die letzte Ohrfeige war eine so intensive gewesen, daß er genug hatte. Er hatte das Gefühl, als ob sein Kopf ein gigantischer Luftballon sei, in welchem es keinen einzigen Gedanken gab. Es brummte und summte um ihn herum, er hatte kein Gefühl, keinen Gedanken und keinen Willen mehr. Und der Oberst hockte mit zusammengeklapptem Leib auf dem Sitz und stieß ein angstvolles Wimmern aus.
    „Das habt ihr von dem Lumpazivagabundus!“ rief ‚Geierschnabel‘. „Ich werde euch lehren, höflicher zu sein.“
    „Mensch, was hast du gewagt?“ stöhnte der Oberst.
    „Gar nichts. Was wäre bei euch zu wagen!“
    „Ich lasse dich arretieren!“
    „Werden sehen.“
    „Vorsätzliche Körperverletzung wird mit dem Zuchthaus bestraft.“
    „Das sind auch schöne Körper, die sich so leicht verletzen lassen! Bist wohl auch ein Offizier, mein Junge? Ja, renommieren könnt ihr, aber bei so einem guten Trapperstoß da knickt ihr zusammen.“
    „Wir werden dich schon zähmen!“ stieß der Oberst mit Mühe hervor.
    „Das wird sich sogleich zeigen.“
    Die Maschine gab in diesem Augenblick das Zeichen, daß man an einer Station ankomme. Als der Zug hielt, öffnete ‚Geierschnabel‘ das Fenster und rief den Schaffner an. Dieser kam herbeigeeilt.
    „Was befehlen Sie?“ fragte er diensteifrig.
    „Schnell den Zugführer und Stationsvorsteher her!“
    „Weshalb?“
    „Eine Beschwerde.“
    „Wir haben keine Zeit.“
    „Es muß Zeit werden. Ich bin im Coupé überfallen worden.“
    Das half sofort. Der Schaffner sprang davon, und zwei Sekunden später kamen die beiden Gewünschten herzu. ‚Geierschnabel‘ hatte die ganze Fensteröffnung eingenommen, so daß seine beiden Mitreisenden gar nicht gehört werden konnten.
    „Was ist's? Was wünschen Sie?“ fragte der Zugführer von weitem.
    „Wie lange halten Sie hier?“
    „Nur eine Minute. Sie ist bereits verflossen. Wir müssen fort.“
    „Gedulden Sie sich nur noch eine. Ich werde Sie nicht länger aufhalten. Herr Stationsvorsteher, ich bin heute im Coupé zum zweiten Mal überfallen worden; ich bitte, meine beiden Mitreisenden zu arretieren.“
    „Wer sind Sie, mein Herr?“
    „Hier mein Paß.“
    Er hatte ihn bereitgehalten. Es war noch nicht Tag. Der Vorsteher prüfte den Paß beim Schein der Laterne und sagte dann:
    „Ich stelle mich zur Verfügung, Herr Kapitän. Wer sind die beiden Männer?“
    „Der eine gibt sich für einen Grafen aus, der andere ist sein Spießgeselle. Glücklicherweise ist es mir gelungen, sie einstweilen unschädlich zu machen. Darf ich aussteigen?“
    „Ich bitte Sie darum. Leute her!“
    Es war kein Polizist zugegen, aber infolge des letzteren Rufes kamen einige Bahnarbeiter herbei, welche genügend erschienen, zwei Arrestanten zu überwältigen.
    Das war viel schneller geschehen, als man zu erzählen vermag. Der Oberst und Ravenow hatten jedes Wort gehört, das gesprochen wurde, und beide waren über das unerwartete Vorgehen ‚Geierschnabels‘ so erstaunt und verwirrt, daß sie sprachlos sitzenblieben, selbst als der Schaffner die Tür öffnete und der Amerikaner hinaussprang.
    „Wo sind sie?“ fragte der Vorsteher.
    „Da sitzen sie“, antwortete ‚Geierschnabel‘.
    Der Vorsteher bog

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