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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fort.
    „Unterwegs.“
    „Sie hatten sich bestellt?“
    „Nein, es war zufällig.“
    „Sie kannten sich?“
    „Ja, schon sehr lange.“
    „Woher?“
    „Dumme Frage. Wir haben in demselben Regiment gedient!“
    „Wenn Sie noch einmal den Ausdruck gebrauchen, dessen Sie sich bedienten, werde ich mein Verhalten gegen Sie verschärfen!“
    „Richtig. So muß es sein“, meinte der Arbeiter, indem er Ravenow einen Stoß in die Seite versetzte.
    „Kerl!“ brauste der Leutnant auf. „Rühre mich nicht noch einmal an, sonst schlag ich dich zu Boden!“
    „Das werden wir zu verhindern wissen“, sagte der Vorstand. „Herr Kapitän, wünschen Sie, daß wir sie binden lassen?“
    „Ja, ich beantrage, sie zu fesseln“, erklärte ‚Geierschnabel‘.
    „Was?“ fragte Ravenow. „Kapitän will dieser Mensch sein? Was denn für einer, he?“
    „Ich wiederhole, daß Sie hier gar nicht zu fragen haben.“
    Der Arbeiter war zur Seite getreten, um eine Rolle starker Packschnur hervorzusuchen. Jetzt kam er damit herbei und meinte:
    „Richtig. So muß es sein. Her mit die Hände.“
    „Ich lasse mich nicht binden. Ich bin ein Edelmann“, rief Ravenow.
    „Sie haben mit Tätlichkeiten gedroht, ich muß Sie binden lassen“, antwortete der Beamte. „Leisten Sie Widerstand, so sehe ich mich gezwungen, in größter Strenge gegen Sie zu verfahren.“
    Ravenow blickte den Obersten fragend an. Dieser antwortete:
    „Keine Gegenwehr. Diese Leute sind der Beachtung gar nicht wert. Man wird uns glänzende Genugtuung geben müssen.“
    „Davon bin ich überzeugt. Aber wehe dann diesen Kerlen. Da bindet mich, doch sage ich euch, daß es euch teuer zu stehen kommen wird.“
    „Ein Graf, welcher sich Ohrfeigen geben läßt, wird uns nicht sehr gefährlich werden können“, meinte der Vorstand. „Aber was ist denn das? Es fehlt Ihnen beiden ja die rechte Hand.“
    Er erhielt keine Antwort. Über ‚Geierschnabels‘ Gesicht ging ein lustiges Wetterleuchten. Er sagte rasch:
    „Donner. Da fällt mir etwas ein. Das ist außerordentlich wichtig.“
    „Was?“ fragte der Beamte.
    „Vor zwei Jahren wurden in Konstantinopel zwei Spione ertappt. Der eine war ein Russe, gab sich aber für einen preußischen Obersten aus, und der andere war ein Franzose, gab sich aber für einen deutschen Grafen und Leutnant aus. Der Sultan milderte das Todesurteil, er schenkte ihnen das Leben, ließ aber beiden die rechte Hand abhacken.“
    „Unsinn“, rief der Oberst.
    „Verdammte Lüge“, erklärte der Leutnant.
    „Ruhe“, gebot der Stationsvorsteher. „Ich weiß jetzt ganz genau, woran ich mit euch bin. Herr Kapitän, wünschen Sie, daß ein Protokoll aufgenommen werde?“
    „Das ist nicht nötig. Der Prozeß wird in Berlin gemacht werden. Die Hauptsache ist, daß man sie hier nicht entkommen läßt.“
    „Dafür werde ich sorgen. Ich werde sie den Gendarmen übergeben, bis dahin aber sollen sie gefesselt und hinten im Gewölbe eingeschlossen und bewacht werden. Schafft sie fort.“
    „Richtig. So muß es sein“, triumphierte der Arbeiter.
    Die beiden verunglückten Offiziere verzichteten auf jede weiteren Einsprüche. Es wurden ihnen die gesunden Hände an den Leib gebunden und dann schaffte man sie in das Gewölbe.
    „Da haben wir einen richtigen Fang gemacht“, sagte der Stationsvorsteher erfreut zu ‚Geierschnabel‘.
    „Einen höchst wichtigen“, antwortete dieser. „Wann geht der nächste Zug nach Berlin ab?“
    „In drei Stunden.“
    „Mit diesem fahre ich. Ich werde unseren Fang dort gleich zur Meldung bringen, und dann empfangen Sie telegrafische Instruktionen.“
    So geschah es. Mit dem nächsten Zug dampfte ‚Geierschnabel‘ nach Berlin, während die beiden Gegner des listigen und übermütigen Jägers in ihrem Gewölbe auf strenge Rache sannen.
    Beim Aussteigen in der Residenz erregte seine ungewöhnliche Erscheinung natürlich kein geringes Aufsehen. Er entging demselben dadurch, daß er sich in eine Droschke setzte, deren Kutscher er als Ziel den Gasthof zur Stadt Magdeburg angab. Als er dort den Wagen verließ, wurde er nicht weniger angestaunt.
    Schon seine Physiognomie war auffällig, und seine Kleidung gleich ganz derjenigen eines gewöhnlichen Mannes, welcher auf einem Volksmaskenball als altmodischer Dorfmusikus erscheint.
    Er lachte bei den erstaunten auf ihn gerichteten Blicken wohlgefällig in sich hinein und fragte den herbeigetretenen Oberkellner:
    „Das ist der Gasthof zur Stadt

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