47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
sich im Kreis um. Es ging ein eigentümliches Blinzeln über sein Gesicht. Dann sagte er:
„Gut. Eine Genugtuung will und muß ich haben. Dieser Herr hat meine alte Posaune für eine Höllenmaschine angesehen. Ich verlange, daß er sie als Geschenk von mir nimmt und sie als Andenken aufbewahrt an den wichtigen Tag, an welchem er Herrn von Bismarck beinahe das Leben gerettet hätte.“
Alle lachten. Auch der Betreffende stimmte mit ein.
„Weiter verlangen Sie wirklich nichts?“ fragte der Kriminalbeamte.
„Nein, ich bin zufriedengestellt, wünsche aber, nun wieder mein eigener Herr sein zu können.“
Dieser Wunsch wurde ihm sofort erfüllt, indem sich alle entfernten. Nur Kurt blieb zurück. Er betrachtete sich den Amerikaner jetzt erst genauer, brach dann in ein Lachen aus und rief:
„Aber Mann, wie können Sie so eine Maskerade treiben.“
„Das liegt so im Temperament“, lachte ‚Geierschnabel‘ mit.
„Unterwegs haben Sie auch bereits solche Dummheiten gemacht.“
„Wer sagte das?“
„Ich habe es gehört. In Mainz sind Sie arretiert worden.“
„Das stimmt.“
„Unterwegs dann aus dem Coupé geholt –“
„Aber mit dem Extrazug nachgeritten.“
„Ja. Und was das Beste ist, Sie haben sich ausgezeichnet revanchiert.“
„Wieso?“
„Indem Sie jenen Obersten und Leutnant einsperren ließen.“
„Auch das wissen Sie?“
„Man erzählte sich Ihre Abenteuer im Coupé, und aus der Beschreibung Ihrer Physiognomie ersah ich, daß nur Sie der Held sein konnten. Übrigens waren die beiden Offiziere meine persönlichen Feinde. Sie hatten es auf mich abgesehen. Ich rächte mich dadurch, daß ich ausstieg und sie rekognoszierte, so daß sie auf freien Fuß gesetzt wurden. Sie wollten mich zum Zweikampf zwingen, ich aber sagte ihnen, wer von einem reisenden Musikanten Ohrfeigen erhalten habe, sei nie wieder satisfaktionsfähig. Damit bin ich sie los.“
„Hm! Das verstehe ich nicht, ist mir aber auch gleich. Was aber tun wir nun?“
„Wir brechen noch heute auf.“
„Wohin?“
„Über Le Havre de Grâce nach Mexiko. Ich habe Instruktionen, welche große Eile nötig machen.“
„Und meine Instruktionen?“ lachte ‚Geierschnabel‘.
„Ich habe auch für Sie verschiedene Mitteilungen, doch ist dazu auch später Zeit. Jetzt wollen wir vor allen Dingen den Anforderungen des Augenblicks genügen. Das Spätere kommt ganz von selbst und wird nicht auf sich warten lassen.“ –
SIEBTES KAPITEL
Unter fremder Maske
Endlich, nach so langer Zeit, wandert der Leser wieder einmal nach Spanien, und zwar nach jenem Ort, an welchem unsere vielbewegte Erzählung begonnen hat.
Dort, im Wald von Rodriganda lagerte eine Zigeunerbande, Alt und Jung bunt zusammen. Die Allerälteste aber lag unter einer Art von Zelt, damit sie am Tag von der Sonnenglut und des Nachts von der fühlbaren Kühle nicht so viel zu leiden habe, eine Zartheit, welche bei Zigeunern selten zu sein pflegt.
Diese Alte war Zarba, die Königin der Gitanos, die einstige, blühende Schönheit, die Rose Zingarita, welche Cortejo vom Stamm gebrochen und dann fortgeworfen hatte.
Es war gegen Abend. Die Altmutter lag im tiefen Schlummer. Daher beobachtete man im Lager eine ungewöhnliche Ruhe. Infolge dieser Stille waren die Tritte eines Pferdes, welches den Weg durch den Wald suchte, leichter zu vernehmen.
Alle lauschten. Die Tritte näherten sich. Bald wurde ein Reiter sichtbar, welcher auf ungesatteltem Pferd saß, ohne Bügel und einen einfachen Strick als Zügel. Alle sprangen auf. Sie kannten ihn.
„Jarko“, rief es rundum so laut, daß die Ältermutter erwachte. Sie erhob sich vom Lager und steckte den Kopf zum Zelt heraus. Sofort wurde es im Kreis der anderen ruhig.
Welch eigentümliches Gesicht war es doch, dem solche Ehrerbietung erwiesen wurde. War das wirklich jene Zarba, deren berauschende Schönheit solches Aufsehen erregt hatte? Falte legte sich an Falte, tief und breit, lederfarben und auch lederhart. Die Nase bog sich weit nach unten, die Zähne waren verschwunden, daher war die Mundgegend tief eingefallen, und so schien es, als ob das Kinn eine sehr energische Anstrengung machte, mit der Nasenspitze zusammenzustoßen.
Aber die Augen waren nicht alt geworden. Sie besaßen noch die ganze Glut und Schärfe der Jugend, in ihnen konnte es noch leuchtend aufflammen, in Liebe oder in Haß, ganz wie es kam.
„Jarko!“ rief sie.
Der soeben Angekommene, welcher inzwischen vom Pferd gesprungen war, trat näher
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