47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
Josefa wenigstens noch so lange am Leben bleibt, bis Juarez hier eingetroffen ist und mithin diejenigen, welche wir bei ihm zurückgelassen haben. Wird mir das nicht versprochen, so erkläre ich ein für allemal, daß ich mich der Gefangenen bemächtigen werde, um sie an einen Ort zu bringen, wo ich für sie nicht eher etwas zu befürchten habe, als bis ihre Zeit abgelaufen ist.“
Er erhob sich von dem Stuhl, auf welchem er gesessen hatte, zum Zeichen, daß er jetzt sein letztes, entscheidendes Wort gesprochen habe. Seine Worte hatten ihren Zweck nicht verfehlt, aber keiner antwortete. Darum fuhr er fort:
„Ich bin also gezwungen, von Euch die bestimmte Erklärung zu verlangen, daß Ihr das Weib nicht eher tötet, als bis Juarez anwesend ist.“
Da fragte ‚Bärenherz‘:
„Was wird mein Bruder tun, wenn wir uns weigern, dies Wort zu sprechen?“
„Ich werde die Hacienda sofort verlassen.“
„Mit dem Weib?“
„Ja.“
„Und wenn wir es ihm nicht geben?“
„So werde ich es mir mit den Waffen in der Hand erkämpfen. Aber ich bin überzeugt, daß ich dies nicht nötig haben werde. Der Gedanke der Rache kann doch unmöglich stärker sein als die Bande, welche die Freunde verbinden.“
„Mein Bruder hat recht. Ich gebe mein Wort, daß ich dieses Weib jetzt nicht töten werde.“
„Und ‚Büffelstirn‘?“ fragte Sternau.
„Ich bin gezwungen, es auch zu geben“, antwortete dieser.
„Und Sie, Helmers?“
Dieser blickte finster und mißmutig vor sich hin. Dann meinte er: „Ich muß antworten wie ‚Büffelstirn‘. Ich bin gezwungen, das Wort zu geben; aber ich lehne alle Verantwortlichkeit ab, wenn irgend ein Fall eintreten sollte, der die Gefangene unseren Händen entreißt.“
„Ich halte diesen Fall für unmöglich.“
„Wir selbst haben so viele scheinbare Unmöglichkeiten erlebt und an uns erfahren, daß ich mit dem Gebrauch der Worte möglich und unmöglich sehr vorsichtig bin. Also ich verspreche Ihnen, bis zur Ankunft von Juarez von einer Vollstreckung des Todesurteils abzusehen, aber ich behalte mir vor, die spezielle und strenge Bewachung der Gefangenen zu übernehmen.“
„Es fällt mir nicht ein, Sie daran zu hindern. Es kann mir ja nur lieb und recht sein, wenn ich weiß, daß sie von scharfen Augen bewacht wird. Also genug hiervon. Ich habe die Pflicht, nach unseren Verwundeten zu sehen.“
Er ging. Die drei anderen, nämlich ‚Büffelstirn‘, ‚Bärenherz‘ und ‚Donnerpfeil‘, folgten ihm, blieben aber draußen auf dem Korridor wie auf vorherige Verabredung stehen.
„Was sagen die beiden Häuptlinge dazu?“ fragte ‚Donnerpfeil‘ halblaut. „Ist es gut, daß wir Sternau seinen Willen gelassen haben?“
„Ugh!“ antwortete der Apache. „Der ‚Fürst des Felsens‘ ist klug. Er wird wissen, was er will, wenn auch ich es nicht weiß.“
„Nach seinen Gedanken hat er recht“, erklärte auch ‚Büffelstirn‘.
„Auch ich stelle das keineswegs in Abrede; aber ich dürste nach Vergeltung!“
„Mein Bruder ‚Donnerpfeil‘ braucht ja nicht darauf zu verzichten“, meinte ‚Büffelstirn‘.
„Ich muß aber doch verzichten, wenigstens für jetzt.“
„Nein. Die Rache kann ja bereits jetzt beginnen.“
„Wieso?“
„Man bereite der Gefangenen Qualen, so wie sie welche bereitet hat.“
Helmers wußte sogleich, daß der Häuptling der Mixtekas einen bestimmten Gedanken habe. Darum fragte er rasch:
„Welche Qualen meint unser Freund ‚Büffelstirn‘?“
„Die Qualen des Todes. Dieses Weib soll viele Male sterben. Sie soll die Rachen der Krokodile oft gegen sich geöffnet sehen.“
„Ah, ich begreife! Josefa Cortejo soll nach dem Berg El Repara geschafft werden und denken, daß die Exekution ausgeführt werden soll?“
„Ja. Sie soll alle Tage, bis Juarez kommt, nach dem Teich der Krokodile geschafft und über dem Wasser aufgehängt werden.“
Helmers Augen leuchteten vor Vergnügen bei dem Gedanken auf, welche Qualen dies dem boshaften Weib machen werde.
„Das ist gut; das ist schön!“ sagte er. „Aber wird Sternau es dulden?“
„Nein“, antwortete ‚Bärenherz‘.
Der Apache kannte den Deutschen sehr genau.
„So müssen wir es heimlich tun.“
„Ja, wir werden Sternau nichts sagen“, stimmte ‚Büffelstirn‘ bei. „Wird mein Bruder ‚Bärenherz‘ mit uns reiten?“
„Nein“, antwortete der Gefragte.
„Warum nicht?“
„Sternau ist mein Bruder. Ich tue das, was er wissen darf.“
„Er ist auch mein
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