Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
daß er ein überreichliches Quantum dieser Kräfte besitzt.“
    „Sonach würde es für Euch ja gar kein Alter geben!“
    „Allerdings nicht.“
    „Auch in der Liebe nicht?“ fragte er mit unsicherem Nachdruck.
    „Auch da nicht. Ich könnte mein Herz niemals einem Mann schenken, dessen Jahre nicht Ehrerbietung von mir forderten.“
    „Aber auch einem Greis nicht?“
    „Warum nicht? Was nennt Ihr einen Greis? Wir haben jugendliche Greise und grauköpfige Jünglinge. Habt Ihr noch nicht gehört, daß es Mädchen gibt, welche eine Vorliebe für graue Haare besitzen?“
    „Ja, es soll solche geben. Aber gehört vielleicht auch Ihr zu ihnen?“
    „Ja.“
    Er wollte mit Eifer weitersprechen, wurde aber unterbrochen, denn es trat eine alte Frauensperson ein, welche die Schokolade brachte. Aber sogleich, als diese sich wieder entfernt hatte, goß er seinem schönen Besuch eine Tasse voll und sagte:
    „Trinkt, Señorita. Es ist zum ersten Mal, daß eine Dame mir diese Ehre erweist, und ich würde viel darum geben, wenn ich dieses Glück täglich genießen könnte.“
    „Haltet Ihr es wirklich für eine Glück?“ fragte sie in einem Ton, der sein altes Blut in Wallung brachte.
    „Ja“, antwortete er. „Es ist das größte Glück, welches es nur geben kann. Ich wollte, Ihr wäret nicht nur Gast, sondern Bewohner des Hauses. Wie schade, daß Ihr es verlassen müßt, sobald die Franzosen wieder aufbrechen!“
    „Die Franzosen? Was gehen mich diese an?“
    Er horchte auf.
    „Ich denke, Ihr gehört zu ihnen?“ fragte er.
    „Warum denkt Ihr das, Señor?“
    „Weil Ihr mit ihnen gekommen seid. Man meint hier allgemein, Ihr seid die Frau oder die Witwe eines ihrer Offiziere.“
    Sie schlug eine helle, melodische Lache auf, deren Klang alle seine Fibern erbeben ließ. Er hatte noch nie ein so entzückendes, hinreißendes Lachen gehört. Dann sagte sie:
    „Da irrt man ganz außerordentlich. Sagt einmal aufrichtig, habe ich das Aussehen einer alten Frau oder einer Witwe?“
    Sein Auge glühte auf ihre schöne, reizvolle Gestalt herüber, als er antwortete: „Einer alten? O, Señorita, was denkt Ihr! Ihr würdet ganz sicher selbst Venus besiegen, wenn sie es wagen wollte, sich in einen Wettstreit mit Euch einzulassen!“
    „Ein zu starkes Kompliment ist kein Kompliment, Señor!“
    „O, ich sage die Wahrheit!“ rief er begeistert. „Ihr gehört also nicht zu den Franzosen?“
    „Nein.“
    „Aber warum reist Ihr mit ihnen?“
    „Weil sie den Auftrag haben, mich zu beschützen, mich sicher nach Mexiko zu bringen. Ich hatte die Absicht, Chihuahua, wo ich sehr einsam wohnte, mit der Hauptstadt zu vertauschen, und bei den Wirren, unter denen unser Land jetzt leidet, war es mir höchst willkommen, mich einer solchen Begleitung anschließen zu können.“
    „Ihr hattet keine Verwandten in Chihuahua?“
    „Nein.“
    „Aber in Mexiko findet Ihr welche?“
    „Auch nicht. Ich stehe ganz allein im Leben da.“
    „Aber was treibt Euch nach Mexiko, Señorita?“
    Sie schlug die Augen nieder und errötete so natürlich, wie man es nur durch die größte Übung zustande bringen kann.
    „Ihr bringt mich fast in Verlegenheit mit dieser Frage, Señor“, antwortete sie.
    „So bitte ich um Verzeihung! Aber ich nehme einen so innigen Anteil an Euch, daß ich glaubte, diese Frage aussprechen zu dürfen.“
    „Ich danke Euch und sehe ein, daß Euch gegenüber eine Prüderie ganz und gar nicht am Platz wäre. Ich achte und schätze Euch und will Euch dies beweisen, indem ich Eure Frage beantworte. Ein von der Natur nicht ganz und gar vernachlässigtes Weib muß fühlen, daß es nicht für die Einsamkeit bestimmt ist.“
    „Ah, fühlt Ihr das, Señorita?“ fragte er rasch.
    „Ja. Gott hat uns die herrliche Aufgabe zugeteilt, zu lieben und durch die Liebe glücklich zu machen. Ich bin noch nicht an diese Aufgabe herangetreten, infolge meines einsamen Lebens.“
    „Ihr hättet noch nicht geliebt?“
    Bei diesen Worten ruhte sein Auge mit wahrer Gier auf ihrer Gestalt. Sie senkte abermals die langen, seidenen Wimpern, und ihr schöner, voller Busen hob sich unter einem tiefen, sehnsüchtigen Seufzer. Er fühlte, daß er vor Liebe zu diesem Weib verrückt werden könne.
    „Nein, noch nie“, antwortete sie leise, als ob sie sich dieser Antwort schäme.
    „Und doch besitzt Ihr alles, was einen Mann bis zum Wahnsinn glücklich machen kann“, antwortete er mit sichtbarer Begeisterung.
    „Ich habe das leider noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher