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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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halten?“
    „O, die einfache Hülle verbirgt oft sehr viel. Sagt, was Ihr von dem Mann verlangt, dem Ihr angehören möchtet?“
    „Wozu? Ihr könntet dieser Mann doch nicht sein!“
    „Warum nicht?“
    „Ihr seid ja Pater, Ihr seid ja Mönch!“
    „Mönch? Wo denkt Ihr hin! Das ist längst vorüber. Ich bin aus dem Orden getreten und kann tun, was mir beliebt.“
    „Ah, das ist etwas anderes. Ihr dürft also heiraten?“
    „Wer will es mir verwehren? Also sagt, was Ihr von Eurem Mann verlangen würdet, Señorita!“
    „Zunächst Liebe, heiße, treue Liebe!“
    „Diese ist da. Oder zweifelt Ihr daran?“ rief er, tief erregt.
    „Ich will es glauben.“
    „So sprecht weiter!“
    „Ich bin zwar nicht reich, Señor, habe aber auch nie mit Armut zu kämpfen gehabt. Ich würde Garantie verlangen, daß ich Mangel und Entbehrung niemals kennenlernen würde. Urteilt nicht vorschnell über dieses Verlangen, Señor! Wenn ich auf die Freuden der Jugend verzichte, so ist eine Genugtuung in anderer Weise nicht mehr als recht und billig.“
    „Ich verstehe Euch vollständig, Señorita, und ich sage Euch, daß ich an Eurer Stelle ganz ebenso handeln würde. Glücklicherweise kann ich Euch die Versicherung geben, daß ich reich, sehr reich bin.“
    „Ihr?“ fragte sie ungläubig. „Reich? Sehr reich?“
    Ihr Blick fiel dabei mit stolzem Ausdruck auf sein unscheinbares Äußere.
    „Urteilt nicht nach meinem Gewand, Señorita!“ sagte er.
    „Gut. Ihr versichert mir, daß Ihr reich seid. Könnt Ihr es mir auch beweisen?“
    Er blickte nachdenklich und einigermaßen verlegen vor sich nieder.
    „Ja, ich kann es beweisen“, sagte er dann in entschlossenem Ton.
    „So tut es!“
    „Ich müßte vorher die Überzeugung haben, daß Ihr mir auch wirklich Eure Hand reichtet, falls ich Euch beweise, daß ich rein bin.“
    „Diese Überzeugung kann Euch vielleicht werden, wenn Ihr imstande seid, meine zweite und letzte Bedingung zu erfüllen.“
    „Welche Bedingung wäre dies, Señorita?“
    „Ihr könnt Euch denken, daß ich mir nicht einen Mann nehme, um ‚Frau Paterin‘ zu werden. Ich verlange eine Stellung.“
    „Was versteht Ihr unter diesem Wort?“
    „Ich verstehe darunter eine geachtete, öffentliche Existenz, welche mir Gelegenheit gibt, die mir verliehenen Geistesgaben zur Verwertung zu bringen.“
    „Ah, Ihr verlangt viel, sehr viel, Señorita“, sagte er.
    Da erhob sie sich langsam von ihrem Sitz und stellte sich vor ihn hin. Er sah sie wie ein Bild, von Künstlerhand aus üppigem Material gemeißelt und mit einer Gewandung versehen, welche nur angelegt zu sein schien, die Reize dieser sinnberückenden Figur zu verdoppeln, nein, zu verzehnfachen. In ihrem Gesicht lag ein unwiderstehliches Selbstbewußtsein, als sie fragte:
    „Ihr meint, daß ich zu viel verlange. Seht mich an! Ich weiß, daß ich schön bin, aber ohne darauf stolz zu sein. Ich weiß, daß der Mann, den ich besitzen will, mich auch lieben wird, wenn ich es einmal will. Ich werde nach Mexiko an den Hof des Kaisers gehen. Ich werde dort zu den Schönheiten zählen, vor denen man auf den Knien liegt, und meine intellektuellen Eigenschaften werden mich befähigen, den Eindruck meiner äußeren Erscheinung auf das vorteilhafteste zu verwerten. Ich werde bald Einfluß und Ansehen besitzen und unter den Männern von Bedeutung denjenigen wählen, der mir meiner wert erscheint. Das alles weiß ich. Lächelt meinetwegen darüber! Nennt es Anmaßung, Selbstüberhebung; ich habe nichts dagegen. Aber wenn Ihr Menschenkenner seid, so muß Euch die ruhige Überzeugung, mit welcher ich spreche, genügend Garantie bieten, daß ich mich genau kenne, daß ich meine Mittel zu berechnen weiß und daß ich nicht phantasiere.“
    Sie stand vor ihm und er vor ihr, er, der kleine hagere Mann, vor diesem unvergleichlich schönen Weib, aber es war ihm keine Mutlosigkeit anzusehen. Es lag vielmehr der Ausdruck des Stolzes auf seinem glatten, grob materialistisch gezeichneten Gesicht, als er antwortete:
    „Was denkt Ihr von mir, Señorita! Ich verkenne Euch nicht, sondern bin überzeugt, daß Ihr die Wahrheit sagt. Ja, Ihr werdet Eure Rolle spielen, wenn Ihr nach Mexiko kommt; Ihr werdet Ehren und Einfluß erlangen, denn Ihr seid schön und versteht, zu berechnen. Aber selbst hierbei bedarf die begabteste Frau der männlichen Hilfe und Leitung. Ich sehe, daß wir uns ebenbürtig sind. Wollt Ihr Euch meiner Leitung anvertrauen?“
    „Ebenbürtig?“ lächelte sie.

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