47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
erfahren. Ich lernte noch keinen kennen, bei dessen Anblick ich mir sofort gesagt hätte, daß ich sein Eigen sein möchte. Doch Mexiko ist größer als Chihuahua. Ich will nicht länger einsam sein. Das ist der Grund, daß ich nach dieser Stadt ziehe.“
„Ah, Ihr wollt Euch dort einen Mann suchen?“
Sie errötete, doch sah es aus, als ob sie ihr Schamgefühl zu beherrschen suche. Ihr Auge fest und offen auf ihn richtend, antwortete sie.
„Ich will das Euch gegenüber nicht leugnen, obgleich ich bei einem anderen wohl nicht so aufrichtig sein würde.“
„Muß dies gerade in Mexiko sein, Señora? Gibt es anderwärts nicht Männer, welche Euren Wert zu schätzen wissen würden?“
„Ihr mögt recht haben. Aber wer einen Baum sucht, der soll in den Wald gehen, wo ihrer viele zu finden sind, und nicht auf das offene Feld, wo im glücklichen Fall ein einziger zu finden ist.“
„Ihr habt recht. Aber wenn man nun auf dem Weg zum Wald einen Baum trifft, dem danach verlangt, daß die grüne Ranke sich um ihn schlingen und an ihm blühen möge?“
Sie machte eine überraschte Bewegung mit der Hand, stimmte einen neckisch, heiteren Ton an und antwortete lachend:
„So bleibt man stehen, um ihn sich anzuschauen.“
„Und wenn er einem gefällt?“
„Nun, so rankt man sich getrost an ihm hinauf. Nicht, Señor Hilario?“
Auf seinem Faunsgesicht glänzte das helle Entzücken.
„Gewiß, Señorita“, antwortete er. „Nur fragt es sich, welche Eigenschaften und welches Alter der Baum haben müßte oder haben dürfte!“
„Nun, er dürfte nicht zu jung und schwankend sein. Ehrwürdigkeit ziert einen Baum, und das Moos verleiht ihm hochpoetische Reize.“
„Señorita, Ihr seid ein Engel!“ rief er ganz entzückt.
„Das könnt Ihr wohl schwerlich beweisen.“
„Ich fühle es, und das ist genug. Darf ich einen solchen Baum für Euch suchen?“
„Tut es immerhin. Es steht mir ja doch frei, mich für ihn zu entscheiden oder nicht.“
„Ja, das steht Euch allerdings frei“, sagte er tief aufatmend, da er seine innere Erregung kaum bemeistern konnte. Und mit heller, beinahe bebender Stimme fügte er hinzu: „Der Baum steht nämlich hier in Santa Jaga.“
„Hier? Wo?“ fragte sie mit gutgespielter Verwunderung.
„In unserem Kloster della Barbara.“
„Im Kloster, Señor? Ich habe da noch keinen Baum gesehen.“
„O doch. Er steht ja vor Euch.“
Er stieß diese Worte mit hörbarer Gewalt hervor. Um seinen Mund lag jenes angstvolle Lachen, welches geeignet ist, selbst das schönste Gesicht zu verzerren. Sie schien das nicht zu beachten. Sie blickte ihn groß an und fragte:
„Ihr? Meint Ihr Euch, Señor?“
„Ja.“
„Ach, bei Gott, das hatte ich nicht erwartet!“
Sie legte wie in heller, mädchenhafter Verwunderung die schönen, weißen Hände zusammen und blickte ihn mit einem Ausdruck an, der unbedingt ein Meisterstück der Verstellungskunst genannt werden mußte. Es waren darin zu lesen freudige Überraschung und Genugtuung, Glück und Schadenfreude, Wonne und Hohn, aufleuchtende Liebe und stiller Ekel, Gewißheit der Erhörung und der Triumph der weiblichen Schlauheit und Berechnung. Aber gerade diese Kontraste machten das schöne Mädchen in diesem Augenblick geradezu unwiderstehlich. Er hätte jetzt ihr zuliebe einen Mord ausführen können und fragte:
„Nicht erwartet habt Ihr dies? Warum? Ihr selbst habt ja den Baum zum Vergleichsbild gewählt. Habt Ihr mich nicht verstanden?“
„Verstanden habe ich Euch, Señor“, lächelte sie. Und mit einem himmlisch diabolischen Lächeln fügte sie hinzu: „Ihr meint unter dem Baum den Mann, den ich suche?“
„Ja, allerdings, Señorita.“
„Und dieser Mann wolltet Ihr selbst sein?“
„O, wie gern. Ich wollte alles aufbieten, um Euch glücklich zu machen.“
Ein schneller, stechender Blick fiel aus ihrem Auge auf ihn. Ihr Gesicht wurde kalt und streng, und mit einer plötzlichen Ruhe und Sicherheit, durch welche seine Leidenschaft nur doppelt tief aufgewühlt wurde, fragte sie:
„Was ist das, was Ihr aufbieten könntet, Señor?“
Sie nahm ihre Tasse vom Tisch, führte sie an die Lippen und sog den süßen braunen Trank ganz in der Weise einer Person, für welche die Schokolade augenblicklich das vorhandene Interesse in Anspruch nimmt. Dieser Überlegenheit gegenüber war er machtlos. Er sprang auf und sagte:
„Ah, Ihr haltet mich für den einfachen, armen Pater Hilarius?“
„Für wen oder was sollte ich Euch sonst
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