47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
hinausgegangen. Er schien noch bei Besinnung zu sein.
„Wer bist du?“ fragte Helmers.
Der Mann blickte ihn an, ohne zu antworten.
„Was wolltet ihr hier?“ fuhr Helmers fort.
Jetzt schien der Sterbende sich zu besinnen.
„Josefa befreien“, sagte er.
„Wer führte euch denn?“
„Grandeprise.“
„Grandeprise? Wer ist das?“
„Ein Yankeejäger.“
„Wie kamt ihr zu diesem? Du bist doch ein Mexikaner!“
„Cortejo brachte ihn mit.“
„Cortejo?“ fragte Helmers erstaunt. „Wo war Cortejo?“
„Hier, bei uns.“
Der Mann schloß die Augen wieder. Der Tod trat ihm näher.
„Hier? Bei euch? Ist das wahr?“
„Ja“, antwortete der Mann immer leiser.
„Und er ist entkommen?“
„Ja.“
„Wohin will er?“
„Ich weiß es nicht!“
„Du weißt es; du mußt es wissen! Du mußt es sagen! Deine Sünden werden dir jenseits nicht vergeben werden, wenn du es verschweigst!“
Er faßte den Mann an und rüttelte ihn. Dieser begann schon, sich zu strecken. Aber er hatte die Worte doch vernommen und antwortete mit Anstrengung seiner letzten, schwindenden Kräfte:
„Vielleicht – nach dem – Kloster della Bar – – –“
Das Wort erstarb ihm auf den Lippen. Der Mund schloß sich. Ein dicker Schweiß trat auf sein Gesicht, ein Röcheln, ein Schütteln seines ganzen Körpers, und dann war er tot.
„Ah! Zu spät! Er brachte das Wort nicht hervor!“ sagte Helmers.
„Die Krokodile sollen ihn fressen!“ meinte ‚Büffelstirn‘ zornig.
Er hob den Entseelten auf, trug ihn nach dem Teich und warf ihn in das Wasser. Es entstand ein kurzer, aber desto gräßlicherer Kampf zwischen den häßlichen Amphibien, welche den schauderhaften Fraß einander streitig machten, dann war es vorüber.
„Nun aber fort, den Berg hinab!“ sagte Helmers. „Wir müssen wissen, in welcher Richtung sie davongeritten sind.“
„Wir müssen laufen wie die Pferde“, stimmte der Mixtekas bei.
Nach diesen Worten eilte er davon, wie aus der Pistole geschossen, im schnellsten Dauerlauf den Berg hinab, und dabei immer die Spuren der Entkommenen mit dem Auge festhaltend.
Helmers folgte ihm und blieb ihm hart auf den Fersen. Unten wendeten sie sich rechts und rannten weiter. Da aber, wo die Richtung nach der Hacienda abging, blieb ‚Büffelstirn‘ halten.
„Einer muß zu Sternau“, sagte er.
„Das ist wahr. Aber wer? Du oder ich?“
„Ich werde gehen“, meinte der Mixtekas. „Mein Bruder folge der Spur weiter, bis wir ihn einholen. Er mag uns den Weg kenntlich machen.“
„Gut. Bringt mir ein braves Pferd mit. Ich lasse mich nicht eher wieder auf der Hacienda sehen, bis diese Scharte ausgewetzt ist!“
Er schritt auf der Fährte weiter, ohne sich nur noch einmal umzusehen. Der Mixtekas dagegen eilte auf die Hacienda zu.
Er hatte jedenfalls nicht das leichteste erwählt, sondern das schwerste auf sich genommen. Es war keine Kleinigkeit, Sternau das Vorgefallene mitzuteilen und sich von ihm ausschelten zu lassen.
Als er auf del Elina ankam, stand Sternau eben bei ‚Bärenherz‘, um abermals zu versuchen, von ihm etwas über den Ritt der Freunde zu erfahren. Als er den Mixtekas auf sich zukommen sah, heiterte sich sein Gesicht auf. Er hoffte, nun Klarheit zu erhalten, und sie sollte ihm auch werden, allerdings eine Klarheit, die er nicht erwartet hatte.
„Ich sprach mit dem Häuptling der Apachen von dir“, sagte er. „Wo ist ‚Büffelstirn‘ mit ‚Donnerpfeil‘ gewesen?“
‚Büffelstirn‘ verzog keine Miene, als er antwortete.
„Auf dem Berg El Reparo.“
„Ah, ich ahnte es. Was haben sie da getan?“
„Sie haben getan etwas, was ihnen niemand vergeben kann. Sie haben entkommen lassen die Gefangene meines Bruders Sternau.“
„Meine Gefangene habt ihr entkommen lassen? Josefa Cortejo?“
„Ja.“
„Diese befindet sich doch im Keller!“
„Nein. Sie war mit auf dem Berg El Reparo.“
„Die Wachen sagten, sie sei im Keller.“
„Sie mußten so sagen, denn ich hatte es ihnen befohlen.“
Das Gesicht Sternaus verfinsterte sich plötzlich.
„Mein Bruder befiehlt seinen Leuten, mich zu belügen?“ sagte er. „Von einem solchen Freund mag ich nichts wissen.“
Er drehte sich um und stand im Begriff, fortzugehen. Da aber zog ‚Büffelstirn‘ sein Messer und sagte:
„Wird der ‚Fürst des Felsens‘ mich verlassen?“
„Ja“, antwortete Sternau.
„So stoße ich mir dieses Messer in die Brust, damit du siehst, daß ich mich selbst zu bestrafen
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