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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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abgrenzte.
    „Das ist eine Tür“, sagte er. „Sie hat kein Schloß. Sie dreht sich um eine Mittelachse, so daß man nur auf der einen Seite scharf zu schieben braucht, um sie zu öffnen.“
    Er stemmte sich kräftig gegen die Mauer, und sogleich gab das durch den Strich abgegrenzte Stück derselben nach. Es entstand eine mannshohe und halb so breite Öffnung, hinter welcher ein dunkler Raum lag.
    Der Pater trat ein, und Emilia folgte ihm, von der größten Neugierde erfüllt. Das Gemach hatte keine andere Öffnung als diese Tür. Es standen mehrere große Kisten darin, und an der einen Mauerseite war ein Schränkchen befestigt, an welchem kein Schloß zu bemerken war. Der Verschluß schien ein sehr geheimnisvoller zu sein, und doch war er so einfach. Der Pater zog nämlich die vordere Seite wie einen Schieber heraus, und nun zeigte es sich, daß der Inhalt aus allerlei Briefen und anderen Schriften bestand.
    Nun drehte der Pater sich zu Emilia um.
    „Señorita“, sagte er. „Dieses verborgene Gemach enthält meine Geheimnisse. Niemand hat eine Ahnung davon. Sie sind so wichtig, so wertvoll, daß ich nur Euch einen Blick hineinwerfen lasse, aber nur unter einer Bedingung, von der ich auf keinen Fall abgehen kann.“
    „Welches ist diese Bedingung?“ fragte sie.
    „Ihr müßt mir einen feierlichen Schwur ablegen, daß Ihr niemals davon sprechen wollt. Seid Ihr bereit dazu?“
    „Sind diese Geheimnisse wirklich von einem so hohen Wert?“
    „Ja.“
    „Nun gut, so will ich den Schwur ablegen“, sagte sie.
    „Wißt Ihr aber auch, was Ihr damit tut?“
    „Ganz gewiß“, antwortete sie, brennend vor Erwartung, was sie zu sehen bekommen werde.
    „Glaubt Ihr an Gott?“
    „Das versteht sich.“
    „Das ist das erste und einzige Erfordernis bei Ablegung eines Schwures. Erhebt die drei ersten Finger Eurer rechten Hand und sagt mir nach, was ich Euch vorsprechen werde!“
    Er nahm ihr den Schwur ab. Sie leistete ihn keineswegs gern, denn sie wollte ja nur im Interesse von Juarez in die Geheimnisse des Paters eindringen. Doch sagte sie sich, daß ohne Schwur ihr dies unmöglich sein werde.
    Als Juarez ihr in Chihuahua ihre Instruktion gab, hatte er sie an Pater Hilarius adressiert. Der Präsident wußte, was nur wenige ahnten, nämlich, daß in der Hand dieses einstigen Mönches viele feindliche Fäden zusammenliefen, welche kennen zu lernen vom allergrößten Vorteil sein mußte. Darum war Emilia hier, und darum war es ihr so willkommen gewesen, daß die Franzosen, in deren Begleitung sie gereist war, hier genötigt gewesen waren, einen längeren Halt zu machen.
    „So!“ meinte der Pater. „Ihr habt geschworen, und nun werde ich Euch zunächst beweisen, daß die Zeit kommen wird, in welcher ich Euch eine solche Stellung bieten kann, wie Ihr sie wünscht.“
    Er griff in den Schrank und zog ein Paket Briefe hervor. Er öffnete einen nach dem anderen und zeigte ihr die verschiedenen Unterschriften.
    „Das ist meine geheime Korrespondenz“, meinte er. „Sind Euch die Namen bekannt, welche Ihr hier lest?“
    Sie kannte sie alle. Es waren die Namen der hervorragendsten Staatsmänner und Militärs von Mexiko. Auch die Namen hoher französischer Offiziere waren dabei. Dennoch aber antwortete sie.
    „Ich habe mich jetzt noch nicht in der Weise mit Politik beschäftigt, wie ich es für später beabsichtige. Darum kenne ich zwar einige dieser Herren; die meisten aber sind mir unbekannt.“
    „Ihr werdet sie kennenlernen, wenn Ihr Euch entschließt, meine Werbung anzunehmen. Mein Wissen und Eure Schönheit können sich ergänzen, so daß ich überzeugt bin, daß wir große Erfolge erringen werden.“
    Es kam ihr alles darauf an, den Inhalt dieser Briefe kennen zu lernen. Sie streckte die Hand aus und fragte:
    „Darf ich sie lesen?“
    Er machte eine schnelle, abwehrende Handbewegung und antwortete:
    „Nein. Das ist unmöglich.“
    „Warum? Ich denke, wir wollen Verbündete werden?“
    „Allerdings; aber bis jetzt sind wir es noch nicht.“
    Sie tat, als ob sie seine Weigerung für selbstverständlich halte, und sagte im gleichgültigen Ton:
    „Ich hoffe, daß wir es aber bald sein werden.“
    Über sein Gesicht ging ein freudiges Aufleuchten.
    „Wirklich, Señorita?“ fragte er rasch.
    „Ja. Ich denke, wer mit solchen Männern verkehrt, der besitzt Einfluß und hat eine hervorragende Zukunft vor sich.“
    „Zukunft sagt Ihr? Ich bin ja alt!“
    Bei diesen Worten ruhte sein Auge sehr erwartungsvoll auf

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