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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihr.
    „Alt? Ich habe Euch bereits gesagt, daß ich das Alter nicht nach den Jahren zähle. Eine glänzende Zukunft von zehn Jahren hat bei mir mehr Anziehungskraft als ein gewöhnliches Leben von fünffacher Länge.“
    „Das ist sehr klug und weise von Euch, Señorita. Also Ihr seid jetzt überzeugt, daß ich imstande bin, Euch eine Stellung zu bieten?“
    „Ja. Nur fragt es sich, welche Stellung sie sein wird.“
    „Ihr meint, welche Charge?“
    „Nein, sondern in wessen Diensten.“
    Er zuckte die Achsel.
    „Ein guter Diplomat fragt nicht nach dem Herrn, welchem er dient, sondern nur nach seinem eigenen Vorteil. Ich widme meine Kräfte demjenigen, welcher sie am besten bezahlt. Nur Juarez mag ich nicht dienen.“
    „Warum nicht?“
    „Ich hasse ihn, hasse ihn so, wie ich noch keinen Menschen haßte.“
    „So seid Ihr nicht republikanisch gesinnt?“
    „Ich bin republikanisch, monarchisch, aristokratisch oder demokratisch gesinnt, je nach dem Vorteil, den es mir bringt. Dieser mein Haß ist ein persönlicher. Er ist nicht gegen die Politik oder das System Juarez gerichtet, sondern ganz allein gegen seine Person.“
    „Was hat er Euch denn getan?“
    „Getan? Mir? Viel, unendlich viel! Unser Kloster war eines der reichsten und berühmtesten des Landes. Wir dienten zwar Gott, aber wir dachten auch an uns selbst und befanden uns außerordentlich wohl dabei. Ich war Superior, ich war der Oberste dieses frommen Hauses – und jetzt? Da kam dieser Juarez und sagte, die sogenannte ‚tote Hand‘ sei das größte Übel der Völker, die Klöster seien Hemmnisse der freien Entwicklung des Nationalwohlstandes. Er hob die Klöster auf, und wo sie verschont wurden, da nahm er ihnen das Vermögen. Auch das unserige wurde säkularisiert, die frommen Väter wurden vertrieben, und nur ich durfte bleiben, da meine ärztlichen Kenntnisse dem gegenwärtigen Zweck dieses Hauses zugute kommen konnten. Was war ich früher, und was bin ich jetzt? Habe ich nicht Grund, diesen Juarez zu hassen? Muß ich nicht jede Gelegenheit ergreifen, mich an ihm zu rächen? Ja, und das tue ich aus allen Kräften. Solange ich lebe, soll es ihm nicht gelingen, sich auf den Stuhl des Präsidenten zu setzen. Dies habe ich geschworen, und ich werde es halten.“
    Er hatte sich in eine tiefe Erbitterung hineingeredet. Seine Wangen hatten sich dunkel gefärbt, und seine Augen glühten vor Grimm. Man sah es diesem Mann an, daß er, um sich zu rächen, zu allem fähig sei.
    „Ich habe nur einmal fast so sehr gehaßt wie jetzt, und das ist lange, lange her“, sagte er.
    „Gegen wen war der damalige Haß gerichtet?“ fragte sie.
    „Ihr werdet den Mann wohl schwerlich kennen“, antwortete er. „Es war ein Graf Rodriganda.“
    „Rodriganda? Ah, ich habe diesen Namen doch bereits gehört.“
    „Wo?“
    „Darauf kann ich mich wirklich nicht besinnen.“
    Sie wollte nicht sagen, daß Sternau in Chihuahua diesen Namen genannt hatte. Der Pater blickte sie forschend an und fragte:
    „Was habt Ihr von diesem Rodriganda gehört?“
    „Auch das weiß ich nicht mehr. Ich besinne mich bloß, seinen Namen gehört zu haben. Mehr weiß ich nicht.“
    „Es ist auch gleichgültig. Dieser Mann ist ja längst tot.“
    „Was hatte er Euch getan?“
    „Das erzähle ich Euch vielleicht später einmal. Jetzt haben wir keine Zeit dazu.“
    Bei diesen Worten legte er die Briefe in das Schränkchen zurück.
    „Also ich bekomme sie jetzt nicht zu lesen?“ fragte sie.
    „Nein. Ihr würdet sie erst als meine Frau lesen dürfen.“
    „Oder wenigstens als Eure Braut?“
    Sie schlug dabei einen scherzenden Ton an, obgleich es ihr sehr ernst war.
    „Nein“, antwortete er. „Eine Verlobung kann leicht wieder aufgelöst werden, und solche Dinge vertraut man nur einer Person an, welche für immer mit einem verbunden ist. Jetzt werde ich Euch den zweiten Beweis liefern.“
    „Ah! Welchen?“
    „Daß ich reich bin.“
    „Ihr macht mich wirklich neugierig, Señor.“
    „Eure Neugierde soll befriedigt werden.“
    Er trat zu den Kisten. Diese waren mit sogenannten Fixierschlössern versehen, zu denen man keine Schlüssel gebrauchte. Er öffnete sie, und die Señorita fühlte fast ihre Augen geblendet von dem Reichtum, welcher ihr aus ihnen entgegenstrahlte.
    Die Kisten enthielten nämlich die heiligen Gefäße, die kostbaren Meßgewänder des aufgelösten Klosters und anderes Gerät, alles mit edlen Steinen besetzt und in reinem Gold gearbeitet.
    „Nun?“ fragte

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