48 - Die Fehde von Antares
verwehren. Sonst wäre meine Erkundung vermutlich unnötig gewesen.
Meine Vermutung erwies sich als richtig. Das von mir gesuchte Gebäude gehörte zwar wider Erwarten nicht zu den kopflastigen Häusern, aber es befand sich in der Stadtmitte.
Rotgewandete Priester gingen ein und aus. Auf den Treppen lungerten Krieger herum, und ich vermutete, daß die Stufen als Versammlungsort dienten, wo man sich traf, miteinander sprach und mit seinen Taten prahlte, bevor man zur Schenke weiterzog. Ich entdeckte keine Kaufleute, und nur wenige Söldner. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich spürte genau, daß von den Steinen dieses Gebäudes eine Aura ausging: jede Pore verströmte abgrundtiefe Bösartigkeit.
Die Tchekedos widmeten mir kaum einen Blick, als ich die Stufen zum Eingang erklomm und den übertrieben protzigen Säulengang betrat.
Ich nickte ihnen klugermaßen demütig zu und tauchte in den Schatten unter. Nath G'Goldark, ein Hoherpriester Dokertys, hatte Khon den Mak hierher begleitet. Wie kam er wohl mit seinem Gegenstück in Winbium zurecht? Bei Krun! Ich hoffte, sie gingen sich wie Leems an die Kehle!
W'Watchun hatte mir erzählt, daß er die Dokerty-Religion zur Überwachung der Krieger benutzte; das war auch der Grund dafür gewesen, daß mich die körperlose Stentorstimme bei meiner Ankunft in Winbium als Verräter an Dokerty gebrandmarkt hatte.
Es gab keinen Grund, hier herumzutrödeln. Ich wollte mir nur die nötigen Informationen besorgen und wieder verschwinden. Dann würde ich einen großartigen Plan schmieden, der – mit Opaz' Segen – zum Erfolg führte.
Die meisten Tempel einer Religion werden nach gleichen Bauplänen errichtet, und ich hoffte inbrünstig, daß meine schrecklichen Erfahrungen in den Dokerty-Tempeln mir ausreichend Einblick in den Grundriß gegeben hatten. Ich schritt schnell aus und betrat einen Seitenkorridor, der vom Eingang wegführte. Männer in roten Gewändern gingen grußlos an mir vorbei. Mir fiel auf, daß es hier überhaupt keine Priesterinnen gab. Anscheinend trennte man sogar an diesem Ort die Frauen von den Männern. Vermutlich hatte das andere Geschlecht seine eigenen Ein- und Ausgänge.
Ich fragte mich, ob die Krieger nie von den uralten barbarischen Bräuchen abgerückt waren oder ob sie sich auf diese Stufe zurückentwickelt hatten. Falls die Tchekedos glaubten, Frauen seien unrein, waren sie noch größere Narren, als ich ihnen zugetraut hätte, bei Vox!
Mein Blick fiel auf eine vielversprechende Tür, und ich öffnete sie. Allerdings quietschte sie und wollte zuerst nicht aufgehen, aber dann schwang sie zurück und wirbelte eine Staubwolke auf. Allem Anschein nach war der kurze Korridor seit Jahrhunderten nicht mehr betreten worden. Die Luft fühlte sich klamm an.
Die Tür am anderen Ende des Ganges war fast genauso schwierig zu öffnen wie die erste. Froh, aus dem Staub heraus zu sein, betrat ich einen schwach erhellten Korridor. Bis jetzt hatte ich noch kein Anzeichen für eine Geheimtür in der Wand entdeckt.
Ich schlich lautlos weiter, und ein leises Stöhnen, das in der Luft lag, gewann an Lautstärke. Als ich um die Ecke bog, gelangte ich zu wallenden Vorhängen, die an Bronzestangen befestigt waren und einen Torbogen versperrten. Noch immer war keine Geheimtür in Sicht.
Behutsam schob ich im Schutz goldener Quasten den Vorhang ein Stück beiseite. Das Gemach wurde von großen Wandleuchtern erhellt, und der Anblick, der sich meinen Augen bot, kam mir ungeheuer makaber vor. Splitternackte Frauen füllten den Raum. Sie peitschten sich mit Dornensträngen, Rosenstielen und Brennesseln. Ihr Stöhnen klang eher nach einem feierlichen Gesang als nach Schmerzensbekundungen. Es waren Frauen aller möglichen Diff-Rassen vertreten, und sie alle waren so nackt wie am Tag ihrer Geburt. Ihre Körper glänzten, Blut sickerte an Haut, Fell oder Haaren herab. Ich stand wie erstarrt da, von Abscheu erfüllt.
Die mir am nächsten stehende Frau teilte einen letzten Hieb mit dem Rosenstengel aus und kam dann auf den Vorhang zu. Sie war gut gebaut, eine Extranerin von den Inseln; auf der prächtigen ebenholzfarbenen Haut schimmerte dunkles Blut. Sie keuchte. Ihr Gesicht wurde fast vollständig von der für Extranerinnen so typischen Haarmähne verdeckt, in die sonst Blumen hineingeflochten werden.
Sie kam direkt auf mich zu, blieb vor dem Vorhang stehen und strich mit einer anmutigen Bewegung das Haar zurück. Das schmale bleiche Gesicht San W'Watchuns kam
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