48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Er mochte den Insassen für einen ägyptischen General oder so etwas ähnliches halten.
„Kennen Sie Pirna?“ fragte ihn Pirnero.
„Jawohl, mein Herr“, antwortete der Gefragte mit einem ausdrucksvollen, vielsagenden Lächeln.
„Was lachen Sie denn? Ist denn mit Pirna etwas los?“
„O nein, ganz und gar nicht! Pirna ist ja das sächsische Buxtehude oder Schöppenstädt!“
Da wurde das Gesicht des Mexikaners um das Doppelte grimmiger.
„Was? Wie?“ rief er aus. „Schöppenstädt? Buxtehude? Und dieses Nest hier soll das Hotel Bellevue, ersten Ranges, sein? Kutscher, gibt es an der Elbe Dampfschiffe?“
„Natürlich, mein Herr!“
„Die nach Pirna fahren?“
„Ja. Ich glaube, in fünf Minuten geht eins ab.“
„Rasch hin. Dieses Dresden ist mir ein schönes Dorf. Arretur und Buxtehude. Ich fahre nach Pirna. Dort wird es wohl noch Menschen geben, mit denen sich noch reden läßt.“
Die Droschke setzte sich abermals in Bewegung, um ihre Insassen nebst deren Inventar nach dem Schiff zu bringen. Es war gerade die höchste Zeit. Auch hier erregte Pirnero bei den Fahrgästen ein solches Aufsehen, daß er es vorzog, in der Kajüte zu verschwinden. Er kam nicht eher wieder zum Vorschein, als bis das Schiff in Pirna anlegte, wo er sein Gepäck nach dem Ratskeller tragen ließ, der ihm von früher her bekannt war. Er folgte mit Resedilla dorthin.
Sein Gesicht war wieder hell geworden. Er blickte sich nach allen Seiten um und sagte zu Resedilla:
„Fürchterlich verändert, das gute Nestchen. Ich kenne es gar nicht wieder. Jetzt nun wirst du sehen, daß es hier ein ganz anderes Ding ist als mit diesem Loch, dem Dresden. Dort wohnt jetzt nur Plebs, das haben wir ja gesehen. Aber hier in Pirna ist der eigentliche Sammelpunkt der sächsischen Aristokratie. Du wirst das sofort merken.“
In der Restauration des Ratskellers war kein Gast vorhanden. Der Wirt und seine Bedienung waren nicht wenig erstaunt über die fremdartige Erscheinung der Eingetretenen. Doch war leicht einzusehen, daß dieselben nichts Gewöhnliches seien, und so wurden sie in feinster Manier empfangen.
Um zu imponieren, sprach Pirnero nur das Allernötigste und bestellte sich ein Mittagsmahl, welches er bereits nach kurzer Zeit erhielt. Während er mit seiner Tochter speiste, trat ein Mann ein, welcher sich an einen nahestehenden Tisch setzte und ein Glas Bier verlangte. Pirnero beobachtete ihn von der Seite. Er sah, wie er angestaunt wurde, und glaubte nun den richtigen Augenblick gekommen, dem lauschenden Wirt wissen zu lassen, was für einen außerordentlichen Gast zu bedienen er die Ehre habe.
„Schönes Wetter!“ meinte er, eine Viertelwendung nach dem Neuangekommenen machend.
Dieser wußte nicht, ob er gemeint sei oder nicht und schwieg.
„Nun?“
Dabei drehte er sich vollständig um, sodaß der Mann nun nicht mehr im Zweifel sein konnte, daß der Herr mit ihm rede.
„Ja, sehr schön“, antwortete er darum.
„Der reine Sonnenschein!“
„Können ihn auch gebrauchen.“
„Wieso?“
„Weil Sonnenschein gutes Obst gibt. Ich handle nämlich mit Obst.“
„Ah!“ fuhr Pirnero auf. „Vielleicht auch mit Meerrettich?“
„Auch.“
„Geht das Geschäft gut?“
„Riesig gerade nicht.“
„Hat es hier in Pirna nicht schon früher Meerrettichhändler gegeben?“
„Jawohl.“
„Wie hießen sie denn?“
„Hm! Es waren ihrer viele.“
„Ich meine einen, der sehr berühmt war. Er starb in der Ausübung seines Amtes und Berufes.“
„Wieso denn?“
„Er ertrank im Garten. Hieß er nicht Matzke?“
„Ah, Sie meinen den alten Matzke, den Trunkenbold, den Schnapsbruder? Der ist auch nur ersoffen, weil er besoffen war.“
„Donnerwetter! Da irren Sie sich wohl! Ich meine den Matzke, dessen Sohn Essenkehrer war!“
„Jawohl, der ist's!“
„Der Sohn starb auch in der Ausübung seines Berufes?“
„Freilich. Er erstickte in der Feueresse, aber auch nur in der Trunkenheit. Die ganze Familie hat es von jeher mit dem Spiritus und Kornschnaps gehalten.“
Pirnero machte ein ganz eigentümliches Gesicht. Er schielte bedenklich zu Resedilla hinüber und antwortete dann:
„Sie sind wirklich im Irrtum! Ich meine den Essenkehrer, dessen Sohn nachher in die Fremde ging.“
„Ganz recht, ganz recht“, nickte der Mann eifrig. „Und das war erst der richtige Urian. Ich weiß ein Wort davon zu erzählen.“
„Wieso?“
„Nun, der Kerl hat mich um vier Taler angepumpt und ist nachher fortgelaufen. Er ist
Weitere Kostenlose Bücher