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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Pfeife einen Kofferträger herbei.
    „Heda, Mann, sind Sie ein Sachse?“ fragte er ihn.
    „Ja, mein Herr“, antwortete der Gefragte, indem er seine Mütze höflich vom Kopf riß.
    „Kennen Sie Pirna?“
    „Ja, mein Herr.“
    „Waren Sie schon dort?“
    „O, sehr oft.“
    „Das freut mich. Da sollen Sie uns bedienen dürfen. Wo ist das Wartezimmer erster Klasse?“
    „Ich bitte, nur durch diese Tür zu treten.“
    „Schön! Bringen Sie uns das Gepäck nach, welches sich noch im Coupé befindet, und dann besorgen Sie uns eine Droschke bester Klasse. Das Passagiergut lasse ich vom Hausknecht des Hotels holen.“
    Er hatte diese Worte mit der Miene und dem Ton eines Oberfeldherrn gesprochen, welcher seiner Generalität die Schlachtbefehle erteilt. Dann trat er in das Wartezimmer, wo er gravitätisch Platz nahm. Aller Augen ruhten mit halb erstauntem und halb lustigen Blicken auf ihn.
    Als der Kofferträger eintrat, brachte er zwei Gewehre in Mahagonifutteralen, ein Gebauer mit drei Papageien, einen mexikanischen Reitsattel, den er sich der Schwere wegen mit dem Bügelriemen auf den Rücken gehängt hatte, einen Säbel, ein riesiges Fernrohr und ein Dutzend Bauernhasen.
    Letzteres ist ein der Stadt Freiburg eigentümliches Gebäck, welches Reisende oft auf dem dortigen Bahnhof einkaufen, um es als Kuriosität mit in die Heimat zu nehmen.
    Nachdem der Kofferträger diese Sachen abgelegt hatte, ging er, um nach einer Droschke zu sehen. Ein Kellner eilte herbei und fragte unter einer tiefen Verneigung, ob die Herrschaften etwas zu trinken wünschten. Der Fremde musterte ihn vornehm und antwortete dann:
    „Ja! Natürlich trinken wir etwas. Aber, hm, kennen Sie Pirna?“
    „Ja, mein Herr.“
    „Waren Sie einmal dort?“
    „Nein, mein Herr.“
    „Nicht? Ah, dann packen Sie sich. Wir trinken nichts!“
    Man sah, daß die Dame ihm eine leise bedenkliche Bemerkung zuflüsterte, er aber nahm keine Notiz davon.
    Jetzt kehrte der Dienstmann mit dem Lenker der Droschke zurück. Letzterer fragte:
    „Wohin wünschen Sie, mein Herr?“
    „Ins feinste Hotel, ins allerfeinste.“
    „Wünschen Sie Hotel de Saxe, de Rome, Bellevue oder Union?“
    „Bellevue, Bellevue! Aber gleich.“
    Die beiden dienstbaren Geister nahmen die Effekten auf, um sie nach der Droschke zu tragen, und er folgte ihnen mit der Dame.
    „Donnerwetter!“ flüsterte er ihr in spanischer Sprache zu. „Siehst du, welches Aufsehen wir erregen, Resedilla?“
    Sie antwortete nicht.
    Draußen am Ausgang stand ein Stadtgendarm. Als er den Fremden kommen sah, machte er ein höchst erstauntes Gesicht, fixierte ihn einige Augenblicke lang, trat dann schnell zu ihm heran und fragte in höflichem Ton:
    „Entschuldigung, mein Herr! Sie befinden sich wohl jedenfalls im Besitz eines Waffenpasses?“
    Der Fremde nahm den Klemmer ab, blies eine Rauchwolke von sich, maß den Polizisten vom Kopf bis zur Sohle herab und antwortete dann:
    „Waffenpaß? Warum denn?“
    „Weil Sie Waffen tragen.“
    „Darf ich das nicht?“
    „Nein.“
    „Sie sind ja mein Eigentum!“
    „Das ist noch kein Grund, eine solche Menge von Waffen in einem Land zu tragen, dessen Zustände sehr gesicherte sind. Sind diese Pistolen und Büchsen geladen?“
    „Nein.“
    „Sie sind jedenfalls fremd. Darf ich um ihre Legitimation bitten?“
    „Legitimation? Donnerwetter! Halten Sie mich etwa für Schinderhannes und Konsorten!“
    „Das nicht“, antwortete lächelnd der Polizist. „Aber wir verursachen hier eine große Aufmerksamkeit des Publikums. Bitte, folgen Sie mir hier herein.“
    Er öffnete eine Tür, an welcher das ominöse Wort ‚Polizei‘ zu lesen war, und die beiden sahen sich gezwungen, einzutreten. Als sie nach einer Weile wieder erschienen, trug der Fremde seinen Schal so breit, daß man die darin steckenden Waffen nicht sehen konnte. Sein Gesicht zeigte eine ärgerliche Miene, und im grimmigen Ton sagte er zu seiner Begleiterin:
    „Das will Dresden sein? Donnerwetter, man arretiert mich hier. Hätten sie nur ein einziges Pulverkörnchen in den Läufen gefunden, so wäre ich gar noch eingesperrt worden, ich, du und die Papageien. Kein Mensch sieht mich auf diesem Bahnhof wieder.“
    Er stieg mit Resedilla, welche sich unter ihrem Schleier ganz und gar schweigsam verhielt, in die Droschke, welche ihn in kurzer Zeit vor das erwähnte Hotel brachte. Ein an der Tür stehender Kellner sprang herbei und öffnete unter einer höchst devoten Verbeugung den Schlag des Wagens.

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