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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn und versuchte, mit ihm zu sprechen, erhielt aber keine Antwort als ein monotones: „Ich bin der gute, treue Alimpo.“ Er ergriff die Hand, des Grafen, sie wurde ihm ohne Widerstand gelassen. Er blieb stehen, um die halb verschlossenen Lider des Geisteskranken emporzuziehen. Dieser ließ es ruhig geschehen und machte auch nicht den leisesten Widerstand, als Sternau eine eingehende Untersuchung seines Körpers vornahm.
    Schließlich zog der letztere ein Fläschchen und ein Löffelchen aus der Tasche, ließ aus dem ersteren in das zweite einige Tropfen fließen und reichte sie dem Grafen, welcher sie wie ein Kind nahm und hinunterschluckte.
    „Pst! Man kommt!“ warnte Geierschnabel, welcher den Wächter machte und nach dieser Mahnung sofort verschwand. Auch Sternau wollte sich zurückziehen, doch zu spät. Er konnte nur noch Flasche und Löffel verbergen, dann stand – Waldröschen vor ihm.
    Sie blickte den großen Mann mit dem langen, prachtvollen Bart ein wenig befremdet an, aber nach diesem ersten Blick wurde ihr Auge mild und freundlich. Es war ihr, als ob sie diese Gestalt und dieses ernste, bedeutende Gesicht bereits schon längst gekannt habe, eine Regung, die sie an sich noch niemals beobachtet hatte.
    „Wer sind Sie, mein Herr?“ fragte sie in freundlichem Ton, welcher keine Spur von Zudringlichkeit hatte.
    Er hatte sie sofort erkannt. Das war nicht nur das Original jener Fotografie, welche er in der Kajüte von Lindsays Dampfer gesehen hatte, sondern das war das Ebenbild seiner Rosa, aber verjüngt und verschönt durch ein seelisches Etwas, welches sich nicht in Worten beschreiben läßt. Er hätte die Arme fest um sein Kind schlingen mögen, aber er beherrschte sich und antwortete im Ton eines höflichen Unbekannten:
    „Ich bin Landschaftsmaler, mein Fräulein, und durchstrich den Wald in der Hoffnung, ein Sujet zu einer kleinen Skizze zu finden. Dabei traf ich diesen Herrn, welcher mir des Schutzes bedürftig zu sein schien; daher begleitete ich ihn.“
    „Ich danke Ihnen. Er ist mein Großpapa. Er ist sehr krank, doch kennt er den Weg so genau, daß er sich nie verirrt. Wollen Sie nicht weiter mitkommen? Vielleicht finden sich in der Nähe des Schlosses Punkte, welche Ihrem Künstlerauge genügen.“
    „Sie sind gütig, mein Fräulein, aber leider ist meine Zeit so kurz bemessen, daß ich heimkehren muß.“
    „Wo wohnen Sie?“
    „In Mainz. Darf ich fragen, wem dieses Schloß gehört?“
    „Meinem Großpapa, dem Herzog von Olsunna.“
    „Ah, Verzeihung, gnädiges Fräulein, daß ich das nicht ahnte!“
    Er zog den Hut abermals, aber viel tiefer als vorher und machte dazu eine höchst respektvolle Verbeugung.
    „O bitte“, meinte sie, indem sie ein reizendes, goldenes Lachen hören ließ. „Man beansprucht hier auf dem Land keine solche Anbetung. Ich habe Sie noch nie gesehen. Durchstreifen Sie öfters unseren Wald?“
    „Ich war noch niemals hier, fürchte auch, Ihr Mißfallen –“
    „O nein“, unterbrach sie ihn schnell. „Die Natur ist ja jedem sein Eigentum und jeder hat das Recht, ihre Schönheit zu bewundern. Vielleicht treffen wir uns noch einmal hier.“
    „Ich würde glücklich darüber sein.“
    „O, ich liebe die Kunst, welche es sich zur Aufgabe stellt, uns Gott in seinen Werken erkennen zu lassen. Sehen wir uns wieder, so können wir dieses Thema festhalten. Heute aber sagen Sie, daß Ihre Muse zu Ende sei. Adieu, mein Herr. Komm, lieber Großpapa.“
    Sie verbeugte sich in entzückender Anmut, ergriff die Hand des Grafen und schritt mit diesem davon. Sternau blickte ihr nach, solange er konnte, dann lehnte er sich an den Stamm des nächsten Baumes, faltete die Hände, hob die Augen zum Himmel empor und betete halblaut:
    „Mein Gott, wie reich hast du mich mit deiner Güte begnadigt! Jeder Augenblick meines Lebens soll ein Dankgebet für dich sein!“ –
    Der nächste Tag brach hell und goldig an und reges, frohes Leben herrschte im Schloß. In Küche und Keller legte man die letzte Hand an. Alles sah dem Abend mit Spannung entgegen. Niemand ahnte, was er in Wirklichkeit bringen werde. Aller Stirnen zeigten Heiterkeit, doch wurde diese gestört, als man gegen Mittag die Entdeckung machte, daß Graf Emanuel noch nicht von seinem Schlaf erwacht sei. Man versuchte, ihn zu wecken, doch vergebens. Nun wurde ein Bote nach dem Arzt geschickt. Dieser kam, untersuchte den Kranken und beruhigte dessen Verwandte durch die Versicherung, daß es sich hier nicht um einen

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