48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
einen Scheingrund, mit ihm zu konspirieren. Sagtet Ihr vorhin nicht auch, daß Ihr zum Pater gingt, weil Ihr Euch unwohl fühltet?“
Der Kleine blickte ihn von der Seite an und antwortete langsam und stockend:
„Señor, Ihr werdet doch nicht etwa vermuten, daß –“
Er hielt inne, er befand sich in einer sichtbaren Verlegenheit.
„Hm! Der Mensch kann nicht genug vorsichtig sein. Da gibt es zum Beispiel einen Hauptaufwiegler, einen politischen Rädelsführer, so einen rechten, echten, schwarzen Rebellen, der der Polizei bereits viele Sorge bereitet hatte.“
„Ah! Sie sucht ihn?“ fragte der Kleine rasch.
„Ja, sie sucht ihn“, nickte Landola.
„Sie kennt ihn auch?“
„Sie kennt ihn auch.“
„So ist er flüchtig?“
„Nein.“
„Aber wenn sie ihn kennt, braucht sie ihn doch nicht zu suchen, wenn er nicht flüchtig ist.“
„Sie geht ihm nur nach, um ihn auf der Tat zu ertappen.“
„Ah so.“
„Er soll auch beim Pater verkehren.“
„Das glaube ich nicht.“
„O, man glaubt so manches nicht, was doch ist. Man hat sogar bereits erfahren, daß er die Absicht hatte, heute zu dem Pater in das Kloster della Barbara zu gehen.“
Die feisten Wangen des Kleinen wurden jetzt bald rot, bald bleich.
„So gut ist die Polizei unterrichtet?“ fragte er.
„Nicht bloß jetzt, sondern immer. Es ist möglich, daß Ihr ihn einmal gesehen habt, ohne zu wissen, daß der Nachrichter seiner schon längere Zeit wartet. Darf ich Euch einmal sein Signalement geben?“
„Ja, ich bitte darum“, meinte das Männchen, vor Angst beinahe schwitzend.
„Nun, so paßt auf.“
Er nahm sein Notizbuch heraus und schlug eine Seite desselben auf.
Cortejo, welcher ahnte, was jetzt kommen werde, stemmte den Kopf in den Arm, während er den Ellbogen auf den Tisch legte, sodaß er dem Kleinen gerade in das Gesicht sehen konnte. Landola begann:
„Alter: Zweiundvierzig Jahre. Wie alt seid Ihr, Señor?“
Er hatte nur geraten, aber der Kleine antwortete doch:
„Auch zweiundvierzig.“
„Hm!“ brummte Cortejo, indem er ihn scharf fixierte.
„Name tut hier nichts zur Sache, Religion auch nicht“, fuhr Landola fort. „Aber Statur: klein.“
„Hm!“ brummte Cortejo, den Dicken scharf ansehend.
„Sehr dick“, fuhr Landola fort.
„Hm, hm!“ verdoppelte Cortejo sein Brummen.
„Augen: klein.“
„Hm!“
„Nase: stumpf.“
„Hm!“
„Zähne: rechts oben fehlt ein Zahn.“
„Donnerwetter! Das stimmt auffällig!“ fuhr Cortejo auf.
Der Kleine rückte auf seinem Sitze hin und her und warf bald einen Blick nach der Tür, bald einen auf die Fenster.
„Mund: wulstig.“
„Hm!“
„Bart, rasiert.“
„Hm!“
„Haare: dunkelblond, Anfang zu einer Glatze.“
„Hm! Himmelelement!“ meinte Cortejo, indem er sich erhob, um eine kleine, lichte Stelle auf dem Schädel des Dicken genauer zu betrachten.
„Besondere Kennzeichen: hat einen verkrüppelten Nagel an dem Mittelfinger der linken Hand.“
„Hm! Tod und Teufel! Señor, zeigt mir doch einmal Eure linke Hand“, rief Cortejo.
Der Kleine zog die Hand zurück und sagte:
„Señor, Ihr werdet doch nicht denken, daß ich –“
„Denken?“ unterbrach ihn Cortejo. „Nein, denken wollen wir jetzt gar nicht, sondern sehen wollen wir.“
„Was denn?“ fragte Landola, sich unwissend stellend.
„Nun, dieser Señor hier ist zweiundvierzig Jahre alt!“
„Ja, das sagte er.“
„Hat kurze Statur.“
„Allerdings.“
„Ist dick!“
Nun fixierte Landola den Kleinen, wie Cortejo es vorher getan hatte.
„Auch dick“, meinte er.
„Hat kleine Augen!“
„Sehr klein.“
„Eine stumpfe Nase.“
„Ja, ein sehr kleines Stupfnäschen.“
„Rechts oben eine Zahnlücke!“
„Ah! Sapperlot! Señor, macht doch einmal den Mund auf.“
Der Kleine aber drückte die Lippen um so fester zusammen.
„Donnerwetter!“ rief Landola, indem er mit der Hand nach dem Gürtel griff.
„Soll ich Euch den Mund etwa mit dem Messer aufbrechen? Auf mit dem Maul.“
So gebieterisch und kategorisch der Kleine vorher bei dem Pater aufgetreten war, so ängstlich zeigte er sich jetzt. Die Anhänger des Umsturzes sind niemals wirklich moralische Helden. Er riß den Mund auf und rief:
„Hier! Nur nicht aufbrechen, nicht schneiden.“
„Weiter auf!“ donnerte Landola.
Das Männchen gehorchte, so gut es ihm möglich war, und nun blickte Landola ihm mit einem Ernst in die Mundhöhle, als ob es gelte, das Alter eines Pferdes zu
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