48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Schüsse hinter ihm her ab.“
„Aber doch nicht treffen!“
„Nein, öffnen wir immer im voraus das Fenster!“
Sie machten das Fenster auf und steckten sich hinter den Mauerpfeiler. Richtig! Da kam der Kleine leise geschlichen, band sein Pferd los, kletterte in höchster Eile hinauf und gab ihm die Sporen.
„Halt!“ schrie da Landola zum Fenster hinaus.
„Halt!“ brüllte auch Cortejo.
„Wir schießen!“ riefen beide zugleich. Aber der Kleine schoß auch, nämlich davon. Da zogen die beiden ihre Pistolen und schossen beide Läufe hinter ihm her. Er stieß einen Angstruf aus, den sie noch hörten, und dann war er verschwunden.
Der Wirt kam voller Erstaunen in die Stube geeilt und fragte:
„Señores, ihr schießt? Warum denn, um der Jungfrau willen!“
„Er entflieht ja!“ antwortete Cortejo.
„Wer denn?“
„Der Kleine.“
„Der? Er entflieht? Ist er denn Gefangener?“
„Natürlich! Der unsrige.“
„Ah! Wer seid ihr denn?“
„Geheime Alguazils aus der Residenz.“
„Ach so! Laßt ihn doch fliehen, er hat euch ja das Essen und den Wein bezahlt!“
„Meint Ihr denn, daß das so viel wert ist?“
„War er denn mehr wert?“
„Das weiß ich nicht.“
„Kennt Ihr ihn, Señor?“
„Nein. Aber Ihr kennt ihn?“
„Auch nicht! Nun, warum habt Ihr ihn dann arretiert?“
„Damit er unser Essen bezahlen solle und Ihr am Wein was verdient.“
Er sah sie eine Zeit lang ganz verblüfft an, brach aber dann in ein lautes Lachen aus und rief:
„Ihr seid bei Gott die klügsten Señores, welche mir jemals vorgekommen sind! Aber er hat für drei Personen bestellt.“
„Das hörten wir.“
„Es sind nur noch zwei.“
„Das ist richtig.“
„Wenn ihr eurer Klugheit die Krone aufsetzen wollt, so habt die Güte, zu erlauben, daß ich nun der dritte bin.“
Da stimmten alle beide in sein Lachen ein und Landola meinte:
„Mann, Ihr seid nicht weniger klug als wir; wir passen also für einander und so mögt Ihr die Stelle des Entflohenen vertreten.“
So geschah es. Als die beiden später die Venta verließen, war der Kleine bereits über alle Berge. Sie brauchten seine spionierenden Augen nicht zu fürchten, machten in der Umgebung einen Spazierritt, wobei sie sich über ihre Pläne unterhielten, und kehrten mit Einbruch der Dunkelheit vorsichtig nach dem Kloster zurück. An der hinteren Mauerecke fanden sie ein Gesträuch, an welches sie ihre Pferde banden, wie der Pater es ihnen angeraten hatte. Dann begab Cortejo sich zu dem Fenster und klatschte leise. Bereits nach wenigen Augenblicken erschien Manfredo.
„Folgt mir, Señores!“ gebot er.
„Zu Eurem Oheim?“ fragte Landola, der hinzugetreten war.
„Ja“, antwortete er.
„Nach seinem Zimmer?“
„Nein, Señores. Noch sind die Leute wach, und man könnte euch leicht sehen. Mein Oheim ist bereits hinunter, um euch die Gefangenen zu zeigen. Ich bringe euch zu ihm.“
„Was aber geschieht mit den Pferden und unseren Sachen?“
„Sie sind für die wenigen Augenblicke in allerbester Sicherheit; dann aber werde ich euch alles besorgen.“
Dieses Besorgen bestand darin, daß er die Pferde verkaufte und das Gepäck als sein Eigentum betrachtete oder als das seines Oheims.
Er schritt voran über den menschenleeren, stillen Hof, und sie folgten ihm, auf sein Geheiß ihre Schritte dämpfend. Dann ging es eine dunkle Treppe hinab, wo Manfredo ein Licht hervorzog, um es anzubrennen. Sie kamen durch einige kellerartige Räume und endlich in ein Gemach, in dem der Pater sie erwartete. Auch er trug ein brennendes Licht in der Hand.
„Eingetroffen?“ fragte er mit achtungsvoller Freundlichkeit.
„Wie Ihr seht, ja“, antwortete Cortejo.
„Aber sagt, sollen wir etwa in einem solchen Keller unsere Zeit zubringen?“
„Wo denkt ihr hin! Ich führe euch nur zu den Gefängnissen. Später erst geht es nach eurer Wohnung.“
„Ah! Sonst wäre ich auch sofort zurückgegangen!“
Der Pater ignorierte diese Worte und fragte angelegentlich:
„Wart ihr in der Venta?“
„Ja, Señor.“
„Und ihr traft den Mann?“
„Es war alles so, wie ihr vorher gesagt hattet.“
„Und wie lief es ab?“
„Besser und lustiger, als wir es uns vorher nur denken konnten.“
Sie erzählten ihm das Vorkommnis unter Lachen, und er konnte sich nicht enthalten, in ihre Lustigkeit einzustimmen. Daß seinem Peiniger ein solcher Streich gespielt worden war, gewährte ihm einesteils die größte Genugtuung und gab ihm den Stoff in die
Weitere Kostenlose Bücher