48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
„Wäre es wahr?“
„Es ist wahr. Täusche dich nicht.“
„So wäre ich gefangen, und die anderen sind frei?“
„Die anderen? Welche anderen meinst du?“
„Er sagte mir, daß er Feinde von mir hier unten habe.“
„Sollte er es dir so gemacht haben wie mir? Auch ich habe Feinde hier unten. Aber glaube nicht, daß sie oder die deinigen frei sind. Wer diese Gewölbe betritt, der sieht das Licht der Sonne niemals wieder. Wer sind deine Feinde?“
„Ich muß über sie schweigen. Wer sind die deinigen?“
„Auch ich darf es nicht sagen.“
„Wer verbietet es dir?“
„Ich selbst. Es soll mich niemand kennen.“
Da ging ein langer Seufzer durch den feuchten Raum. Landola begann sich zu regen. Er war vorhin vorangegangen und hatte die tödliche Luft zuerst empfangen; darum hatte er auch länger besinnungslos gelegen.
„Oh!“ stöhnte er, indem er sich streckte.
Seine Ketten rasselten. Er hörte dies und horchte.
„O – o – oh!“ stöhnte er von neuem.
Und da er sich wieder dehnte, so rasselten seine Ketten auch von neuem.
„Was – was – was ist das?“ fragte er.
„Henrico! Henrico, sind Sie es?“ fragte Cortejo.
„Henrico?“ fragte Landola müde und gedehnt. „Henrico ja, so heiße ich. Er – er hat es aus – aus meiner Hand gelesen.“
„Ah! Bei Gott, er ist es! Henrico, sind Sie es wirklich?“
Er nannte nur den Vornamen Landolas, damit die anderen Gefangenen den anderen Namen nicht hören sollten.
„Henrico?“ stöhnte der Gefragte. „Wer – wer redet hier? Wo – wo bin ich?“
„Gefangen soll ich sein und gefangen auch Sie. Ich glaube es nicht.“
„Gefan – fangen?“ stöhnte es wieder unter Kettengerassel. „Ah, was – was klirrt hier? Wer hält – hält mich fest?“
„Ketten sind es, Ketten!“
„Ketten? Ketten? Ah! Richtig! Der Pa – Pater wollte uns ja die Gefan – fangenen zeigen, Ster –“
„Still!“ fiel Cortejo rasch ein. „Keine Namen nennen!“
Landola konnte sich noch immer nicht aus seiner Betäubung finden. Er wiederholte im Ton eines Menschen, welcher chloroformiert wird:
„Keinen Namen? Kei – keinen? Warum denn nicht, Cortejo?“
Er hatte diesen Namen nun doch genannt.
„Halt! Still!“ rief Cortejo.
Aber von der anderen Seite ertönte es rasch herüber:
„Welcher Name war das? Wer ruft mich?“
Da horchte Gasparino auf.
„Dich?“ fragte er. „Dich rief keiner!“
„O doch! Es war mein Name.“
„Wie? Du heißest Cortejo?“
„Ja.“
„Wie ist dein Vorname?“
„Es ist doch nun verraten, und so sollst du auch ihn hören. Ich heiße Pablo Cortejo.“
„Gott, Gott!“ schrie Gasparino. „Sollte es mehrere dieses Namens geben? Sagtest du nicht, daß deine Tochter hier sei?“
„Ja.“
„Heißt sie Josefa?“
„Ja. Kennst du sie? Kennst du uns?“
Da streckte sich Gasparino gegen seine Fesseln, daß diese klirrten und seine Knochen krachten.
„Hölle, Teufel und Verdammnis!“ donnerte er. „So ist es also wahr! Dieser Pater hat mich betrogen. Ich bin gefangen. Gott oder Satan, ganz gleich, wer mir helfen will, aber gib, o gib mir Kraft, diese Ketten zu zersprengen.“
Er stemmte sich von neuem gegen die Fesseln, doch vergeblich.
„Strenge dich nicht an; es ist umsonst!“ klagte der andere. „Aber sage mir, woher du unseren Namen kennst!“
„Euren Namen? Ach, ich wollte, der Himmel stürzte ein und begrübe dieses Kloster unter seinen Trümmern. Weißt du, wer der ist, welcher vorhin, aus der Ohnmacht erwachend, Euren Namen nannte?“
„Sage es!“
„Henrico Landola.“
Da klirrten drüben bei dem anderen die Fesseln, zum Zeichen, daß der Schreck ihn bewegt habe.
„Henrico Landola?“ schrie er überlaut.
„Ja.“
„Der Seekapitän?“
„Ja“, antwortete Gasparino.
Und zu seiner Rechten ließ sich Landolas Stimme hören:
„Ja, ich bin es! Henrico Lan – Landola, der Kapitän.“
„Ist's möglich! Auch das noch!“ rief Pablo, die Ketten vor Grimm aneinander reibend. „Und du? Wer bist denn du?“
„Ich? Höre und verfluche die Erde und alles, was Leben hat! Mein Name ist der deinige.“
„Der meinige?“
„Ja, denn ich bin Gasparino Cortejo, dein Bruder!“
Zwei laute Schreie erschollen, ein männlicher und ein weiblicher. Dann war es da drüben still. Pablo und seine Tochter waren in Ohnmacht gesunken. Nur hüben noch rasselten die Ketten.
VIERTES KAPITEL
Das Blatt des Todes
Oft scheint es fast, als ob die Vorsehung sich entschlossen
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