48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
habe, den Frevler entkommen zu lassen und die wohlberechtigten Pläne des Guten zu Schanden zu machen. Aber Gottes Wege sind nicht unsere Wege.
Nachdem Kurt Helmers seine Besuche in Mexiko gemacht hatte, setzte er sich zu Pferd und verließ in Begleitung des Matrosen Peters die Hauptstadt. Sie erreichten nach einem raschen Ritt das Städtchen, in dem sie Geierschnabel und Grandeprise trafen; dann ging die Reise weiter.
Kurt war mit guten Karten versehen und besaß in den beiden Jägern zwei Führer, wie es keine besseren geben konnte.
Cortejo und Landola hatten als Verfolgte nicht die offene Straße eingehalten, sondern sich als Führer einen Mestizen gemietet und kamen infolge der schlechten Seiten- und Gebirgswege nur langsam vorwärts. Kurt ritt die Straße und konnte daher Strecken zurücklegen, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach vor den beiden Verbrechern in Santa Jaga ankommen mußte.
Darauf rechnete er auch bestimmt. Aber diese Berechnung sollte sich leider als trügerisch erweisen.
Es war am zweiten Abend, als er in der Stadt Zimapan ankam. Hier war Truppenbewegung. Die Stadt war von Franzosen besetzt, die sich vorbereiteten, unter ihrem Befehlshaber, einem General, sich nach Querétaro zu konzentrieren, um von da aus über Mexiko den Einschiffungshafen Vera Cruz zu erreichen. Im Norden der Stadt standen die Kaiserlichen unter dem ebenso bekannten wie bescholtenen General Marques, bereit, nach dem Abzug der Franzosen die Stadt zu besetzen. Doch war die Disziplin so locker, daß Scharen von ihnen sich in die Stadt begaben, um des Abends mit ihren französischen Waffenbrüdern ein wenig zu fraternisieren.
Durch dieses Gewühl hindurch mußte Kurt mit seinen Begleitern Bahn brechen. Am liebsten hätte er sich für diese Nacht draußen im Freien ein Lager gesucht, aber die beiden Jäger rieten davon ab. Sie wären doch zwischen die aufgelösten Truppen, bei denen auf rechte Mannszucht nicht zu rechnen war, geraten und dabei vielleicht Unbilden ausgesetzt gewesen, welche sie in der Stadt umgehen konnten.
Aber diese Aussage erwies sich als irrig. Die Stadt glich nicht einem Ameisenhaufen sondern vielmehr einen Mehlwürmertopf, in welchem es von Käfern, Würmern, Larven und Milben ‚wibbelt und kribbelt‘. Von Venta zu Venta, von Posada zu Posada und zuletzt gar von Haus zu Haus suchend, fanden sie nicht das kleinste Örtchen, wo sie, ihr Haupt niederlegend, auf eine Stunde der Ruhe hätten rechnen können. Und deren bedurften sie doch ebenso sehr wie ihre Pferde des Futters und des Wassers.
Glücklicherweise erfuhren sie von einer alten ‚zahmen‘ Indianerin, welche in einem zerrissenen und schmutzigen Hemd vor einer zerfallenen Hütte hockte, daß draußen vor der Stadt ein Bach fließe, an dessen Ufern Gras in Menge zu finden sei. Sie beschlossen also, an diesem Wasser zu biwakieren.
Leider war auch hier fast kein Plätzchen zu haben. Die französische Reiterei hatte sich hier festgesetzt, und so mußte Kurt froh sein, endlich ein schmales Stückchen Erde zu erobern, welches zwei Schritte breit an den Bach stieß, sodaß seine Tiere wenigstens zu saufen vermochten. Vor und hinter und neben der kleinen Truppe brannten Wachtfeuer, von denen sie hell erleuchtet wurde, sodaß ihre Gesichtszüge ganz deutlich zu erkennen waren. Dies störte nicht nur ihre Behaglichkeit und Ruhe, sondern es zog auch die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sie und sollte ihnen sehr verhängnisvoll werden.
Gerade vor ihnen lag eine Gruppe von vielleicht dreißig Kavalleristen im Gras. Die Leute schmauchten den starken mexikanischen Tabak aus ihren kurzen Stumpen und unterhielten sich von den Taten, welche sie zum Ruhme Frankreichs hier in diesem Land ‚begangen und verschuldet‘ hatten. Ein ziemlich alter Sergeantmajor (Feldwebel) befand sich bei ihnen, welcher der Unterhaltung mit großer Würde präsidierte.
Eben war eine Gesprächspause eingetreten, als Kurt mit seinen drei Leuten herbeikam und sich in der Nähe niederließ. Ein leises Murren erhob sich unter den Franzosen.
„Was wollen diese Leute hier?“ fragte einer. „Haben sie ein Recht, hier zu sein?“
„Dulden wir Zivilisten unter uns?“ fragte ein zweiter.
„Mexikanische Landstreicher gehören nicht in die Nähe der Söhne unseres schönen Frankreichs“, meinte ein dritter.
Und ein vierter wendete sich direkt an den Feldwebel und sagte:
„Sergeantmajor, dulden wir das?“
Der Alte strich seinen Schnauzbart eine ganze Weile lang und meinte dann:
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