49 - Der Zorn von Antares
An der gegenüberliegenden Wand hing ein Bild im goldenen Rahmen, das eine naturgetreue Darstellung des Flutubiums zeigte, des dem Dokerty geweihten Flügelsymbols.
Ich trat zurück und sah Fweygo an, unsere Blicke trafen sich kurz. Damit war die Sache klar.
Der seit langem tote Palastarchitekt hatte die Geheimgänge mit leicht erreichbaren Hebeln ausgestattet, die die verborgenen Türen in den Wänden öffneten. Fweygo legte eine Hand auf den Hebel, zwei weitere Hände hielten Schwerter, und die vierte Hand lag auf der Tür. Seine Schwanzhand war leer.
Er schob den Hebel mit einer entschiedenen Bewegung nach unten und stieß gegen die Tür. Sie schwang auf. Im nächsten Augenblick stürmte der Kildoi in das Gemach und hielt dem überraschten Mann eine Schwertspitze an den Hals.
»Kein Laut, Dom!«
Danach wurden unsere Fragen eifrig beantwortet. Die meisten dieser großen Paläste haben ihre eigenen Tempel, manche sogar mehrere, wenn der Hausherr religiös veranlagt ist. Wir waren in dem Flügel gelandet, in welchem die dem Haushalt angehörigen Priester ihre Privaträume hatten. San Taston, der Mann auf dem Sofa, ein Priester Dokertys, war regelrecht begeistert, uns den Weg zum Schrein zu zeigen.
In seiner Angst stotterte er: »Da sind aber Wachen. Onkers ... sie werden nicht warten ... sie werden uns alle töten!«
Weder Fweygo noch ich würdigten diese Worte einer Erwiderung.
Ich nahm den Pokal des Priesters von dem kleinen Seitentisch und probierte den Wein. »Ganz anständig. Kleiner Körper, aber fruchtig.«
Fweygo warf mir einen so komischen Blick zu, daß ich noch einen Schluck nehmen mußte, um meinem Mund etwas zu tun zu geben. Er zerrte San Taston am Kragen hoch und stellte ihn unsanft auf die Füße. »Du wirst uns hinführen, sofort! Wir sind gerade eingestellt worden, und du weist uns in unsere Pflichten ein. Dernun?«
»Ja – ja«, quiekte er.
Fweygo befahl ihm, hochmütig und mit erhobenem Kopf voranzugehen. Wir hatten die Schwerter zurück in die Scheiden gesteckt, aber der Kildoi versicherte Taston, daß es keinen Wimpernschlag dauern werde, sie zu ziehen und ihm in den Rücken zu stoßen, sollte er etwas Dummes tun.
»Nein, nein! Das werde ich nicht! Bitte seid vorsichtig mit meinem Arm. Er ist schon seit einer Sennacht wund und ...«
»Das kann ich kurieren, indem ich ihn abschlage, oder?« grollte Fweygo. Taston gab ein erschrockenes Quieken von sich und verstummte.
Der Palast war mittlerweile in hellem Aufruhr. Man hatte entdeckt, daß überall tote Wachen lagen und keiner wußte, was hier vor sich ging. Wir marschierten hinter Taston her. Er war Dokerty ergeben und deshalb von der Definition her ein schlechter, dem Bösen verfallener Mensch, oder etwa nicht? Nun, ich war mir nicht länger sicher, ob es tatsächlich so einfach war. Cuisars und F'Farhans Verhalten lag mir schwer auf der Seele. Vielleicht trieb das Erschaffen von Ibmanzys die Ausübenden dieser verachtenswerten Praxis in den Wahnsinn, und der Machthunger zog sie dann noch tiefer ins Verderben.
In den mit dicken Teppichen ausgelegten Korridoren versahen Sklaven ihre Arbeit beinahe im Laufschritt. Wachen marschierten mit gezogenen Schwertern umher; nicht alle trugen rote Umhänge. Niemand stellte sich uns in den Weg. Taston war offensichtlich in religiösen Angelegenheiten unterwegs, und die Wachen hatten anderes zu tun.
Vielleicht hielt sie Fweygos und mein Gesichtsausdruck auch davon ab, Fragen zu stellen.
Ich mußte die erschreckende Wut in meinem Innern beherrschen. Es gab keinen besonderen Anlaß dafür, ließ man die allgemeine Ungeduld außer Acht, die von den ständigen Hindernissen verursacht wurde, die meine Mission verzögerten.
Vielleicht war auch die quälende Sorge um Delias Wohlergehen daran schuld, die nach unserer kurzen und flüchtigen Begegnung wesentlich schlimmer war als zuvor.
Was auch immer die Gründe waren, die ich vergeblich kühl und leidenschaftslos zu analysieren versuchte, der in mir brodelnde Zorn wartete darauf, ausbrechen zu können.
Zwei Wachabteilungen standen in der Mitte eines großen Gemachs und waren offensichtlich mitten in einer heftigen Auseinandersetzung, die mit jedem verstreichenden Augenblick hitziger wurde. Bis jetzt waren noch keine Waffen gezogen worden, aber man schüttelte drohend die Fäuste. Die eine Gruppe trug die kurzen roten Umhänge, die andere setzte sich aus normalen Paktuns zusammen, Mietsöldnern. Interessanterweise entstammten die Söldner
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