49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
erblickte er eine Gruppe, über die auch er sofort lachen mußte.
Auf einer Bank saß in höchst gravitätischer Haltung der Oberwächter. Vor ihm stand entblößten Hauptes der Lord. Neben demselben bewegten sich mehrere der schwarzen Haremswächter in den possierlichsten Sprüngen. Der eine von ihnen hatte den hohen Zylinderhut des Briten auf dem eingefetteten Wollkopf, der andere trug den aufgespannten, karierten Regenschirm über sich, und der dritte hatte gar den Rock des Lords angezogen und stolzierte in demselben wichtig hin und her. Dabei schnitten diese drei Schwarzen Gesichter, wie dies eben nur bei dieser Rasse wahrzunehmen ist. Gegenüber den Genannten hatte eine ganze Anzahl verschleierter Frauen Posten gefaßt. Die eine Hälfte von ihnen ergötzte sich an der beschriebenen Maskerade, während die andern das Fernrohr des Lords erobert hatten und bemüht waren, sich im Gebrauch desselben zu versuchen. Es ging aus einer schönen Hand in die andere.
Steinbach kam dem Engländer wie ein Erlösender. Dieser rief ihm schon von weitem entgegen:
„Himmelsapperment! Eilen Sie, mir aus der Klemme zu helfen, sonst zieht mich diese Menschheit noch vollständig aus. Das sind ja die wahren Strandräuber!“
„Aber, wie können Sie es auch so weit kommen lassen?“
„Kommen lassen? Was will ich tun? Diese verteufelten Frauenzimmer sind neugierig wie die Meerschweinchen. Die eine wollte sich den Hut ansehen und die andere den Regenschirm. Ich mußte alles hergeben und zuletzt gar den Rock ausziehen. Sie wollten nämlich wissen, wie ich unter demselben beschaffen sei.“
„Erzählen Sie später. Jetzt vor allen Dingen wollen wir uns einmal Respekt verschaffen.“
Steinbach wandte sich darauf an den Oberwächter:
„Mensch, was fällt dir ein? Soll ich vielleicht den Kislar Aga ersuchen, dir die Bastonade geben zu lassen?“
„Verzeihe, Herr“, entschuldigte sich der Genannte. „Er ist ja nur ein Franke!“
„Und du bist weiter nichts als ein Sklave, der Allah danken muß, wenn er einen Franken anschauen darf. Schaffe schnell Ordnung, sonst sorge ich dafür, daß du wochenlang nicht auf den Sohlen gehen kannst, sondern elendiglich auf den Knien rutschen mußt.“
Da zog der Oberwächter die Peitsche aus dem Gürtel und ließ dieselbe seinen Untergebenen auf den Rücken knallen. Ein mehrstimmiges Wehgeschrei erscholl. Die Geschlagenen suchten heulend das Weite, und auch die Frauen zogen sich so schnell zurück, daß im nächsten Augenblick kein Mensch mehr zu sehen war, selbst der Oberwächter nicht, der den Fliehenden nachgeeilt war. Diese hatten nämlich in ihrer Angst ganz vergessen, die annektierten Gegenstände zurückzulassen.
„Was sagen Sie dazu!“ zürnte der Lord. „Ist man hier wie unter Menschen?“
Steinbach lachte. Er konnte keine andere Antwort geben. Es zeigte sich nämlich, daß selbst das Hemd des Lords aus grau und schwarz kariertem Flanell bestand.
„Was, Sie lachen auch?“ fragte der Brite ärgerlich.
„Ist das zum Verwundern?“
„Natürlich! Ich dachte nicht, daß ein solches Lachen sich mit der Würde, die ich zu beanspruchen habe, gut vereinbaren läßt.“
„Aber bitte, betrachten Sie doch diese Würde!“
„Donnerwetter! Sie gucken meinen Kopf so verdächtig an. Ärgern Sie sich etwa über meine Glatze?“
„Nein, gar nicht.“
„Worüber denn?“
„Über die Glatze nicht, aber über die Haare, die die Schuld an ihr tragen, da sie ausgegangen sind.“
„Hole Sie der Teufel! Ich denke, in Ihnen einen Freund kennengelernt zu haben, und nun entpuppen Sie sich von einer Seite, die ganz und gar nicht geeignet ist, mir Bewunderung und Sympathie einzuflößen. Ich weiß hier wirklich nicht, ob ich verraten oder verkauft bin!“
„Sie sind keines von beiden, verehrter Herr“, antwortete Steinbach jetzt ernst und in besänftigendem Ton. „Ich denke aber, daß Sie selbst die ganze Schuld an der Situation tragen. Diese guten Leute hier haben noch niemals einen Mann von Ihren hervorragenden Eigenschaften gesehen, und da ist es – “
„Sapperment! Wollen Sie mich etwa foppen? Hervorragende Eigenschaften?“
„Ja. Bitte, bedenken Sie doch Ihre ungewöhnliche Länge. Infolge derselben sind Sie doch hervorragend.“
„Meinetwegen! Aber was hat dies damit zu tun, daß ich hier ausgeplündert werde, als ob ich unter lauter Kaffern und Hottentotten geraten sei?“
„Ich wiederhole, daß man hier noch keinen solchen Menschen gesehen hat; man hat Sie näher
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