49 Stunden
Restaurant und bemitleidete sich selbst.
Andererseits wanderten seine Gedanken doch immer wieder zu Mary hin, zu ihrem heutigen Verhalten. Das war einfach nicht die Mary gewesen, die er kannte. Möge sie sich auch nicht wohl gefühlt haben, da war noch etwas anderes. Er würde sie im Auge behalten. Er würde sicher gehen, dass sie in Ordnung war.
Sonntagmorgen
Sie wachte auf, weil Josh und Tamara lauthals stritten. Sie kämpften um die Play Station Portable, die ihnen ihr Onkel Carlo zu Weihnachten geschenkt hatte. Da es vier Kinder, aber nur eine PSP gab, gab es jeden Tag denselben Zoff darum.
Tamara hatte Katie am Vorabend erst einmal erklären müssen, was eine PSP eigentlich war, denn sie besaß weder irgendwelche Videospiele noch anderes technisches Equipment. Ihre Mommy erlaubte ihr ja noch nicht einmal fernzusehen – außer einer DVD pro Woche, und das auch nur kindgerecht und in Anwesenheit von Susi.
Katie vermisste dieses Zeug nicht, sie hatte ihr wunderschönes Zimmer, das voll war mit Büchern, Puppen und Plüschtieren, mit denen sie viel lieber spielte. Wenn sie jetzt an all ihre schönen Spielsachen dachte, vermisste sie ihr Zuhause. Am meisten vermisste sie aber ihre Mommy und Susi, sie hoffte, dass sie sie ganz bald wiedersehen würde.
Und was, wenn Bob sein Versprechen nicht hielt und sie gar nicht zu ihrer Mommy zurückbringen würde? Vielleicht sollte sie versuchen, allein wegzukommen. Wenn sie nur wüsste, wo sie war, ob sie noch immer in Chicago war. Sie wusste nicht, wie lange sie mit dem Auto gefahren waren, weil sie ja im Kofferraum geschlafen hatte.
›› Tamara?‹‹, fragte sie und die beiden Streithähne hielten einen Moment inne, um Katie anzusehen.
›› Oh, du bist ja aufgewacht‹‹, stellte Tamara verwundert fest.
Na, bei dem Lärm, dachte Katie, sagte aber nichts.
››Du-u? In welcher Stadt sind wir hier?‹‹
Sie wusste, dass das eine blöde Frage war. Josh schien das genauso zu empfinden, denn er lachte und sagte herablassend: ››Na, in Chicago, wo denn sonst? Mann, bist du dumm! Ich dachte, du wärst acht Jahre alt.‹‹
Er nutzte den Moment, in dem Tamara mehr auf Katie konzentriert war als auf die PSP, schnappte sie sich und lief – immer noch lachend – davon. Tamara rannte sauer hinterher. Doch Katie hatte ihre Antwort. Sie war noch immer in Chicago. Es konnte nicht allzu weit nach Hause sein.
***
Er hatte im Auto geschlafen. Hatte noch bis spät in die Nacht den Eingang beobachtet, es war aber außer dem Kindermädchen niemand mehr gekommen. Irgendwann konnte er die Augen nicht mehr aufhalten und war eingenickt. Jetzt stand die Sonne bereits am Himmel und er ärgerte sich über seine Nachlässigkeit. Hoffentlich hatte die Richterin ihre Wohnung nicht schon verlassen.
Er rief seine Schwester an und erkundigte sich nach der Kleinen. Marge sagte ihm, alles sei bestens, er solle sich keine Gedanken machen. Er solle aber auch zusehen, dass er die Kleine bald wieder abholte. Sie hatte keinen Bock auf Stress. Würden die Cops herausfinden, dass sie an einer Kindesentführung beteiligt war, würden sie ihr die restlichen Kinder auch noch wegnehmen und sie in den Knast stecken. Sie hatte schon genug Dreck am Stecken dank ihm.
Morgen, sagte er ihr, und es tue ihm leid. Bald sei es vorbei. Er werde nach Mexiko gehen, sagte er ihr. Ja, das werde er tun.
Er solle bloß aus Mexiko auch weiterhin die Schecks schicken, sagte sie ihm. Sonst würden seine Nichten und Neffen noch verhungern.
Natürlich, das werde er machen, natürlich. Für wen hielt sie ihn? Hatte er nicht immer für sie und ihre Bälger gesorgt?
Genervt legte er auf. Er überlegte, kurz nach Hause zu fahren, um sich zu duschen und umzuziehen. Doch dann sah er Mary aus dem Haus kommen und folgte ihr.
***
Mary hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Irgendwann hatte sie es aufgegeben und war schon um fünf Uhr morgens aufgestanden, um sich einen extra starken Kaffee zu machen.
Susi schlief noch, das war gut. Sie hatte keine Lust auf irgendwelche weiteren Fragen. Sie hatte schon genug gelogen, obwohl sie sonst nie log. Selbst wenn Katie sie etwas fragte, antwortete sie immer offen und ehrlich. Und wenn die Antwort noch nicht passend war für ein Kind von acht Jahren, dann machte sie sie passend, schmückte sie ein wenig aus, ließ ein paar Details weg – aber lügen tat sie nie.
Bis gestern. Wie oft hatte sie gestern gegen ihre Vorsätze verstoßen? Sie hatte Susi belogen, Dillon, sie hatte
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