5 1/2 Wochen
vielleicht auch ein bisschen neidisch - dass ich eine so großartige Übernachtungsmöglichkeit gefunden habe. Sie stellt mir Jacqueline vor. Sie ist 26 Jahre alt und kommt aus Leipzig. Und jetzt Achtung! Sie ist mit ihrem Hund unterwegs. Na endlich, ein weiterer Pilger-Perro! Ich dachte schon, ich sei die einzige auf diesem so langen Weg. Jacquelines Vierbeiner ist relativ groß - zu groß zum Schmuggeln. Ihr treuer Gefährte hat aber, im Gegensatz zu Ruddi, langes dickes, wärmendes Fell, so dass es ihm nichts ausmacht, draußen vor der Herberge zu schlafen. Frauchen stellt ihm über Nacht ihren Rucksack zur Seite, damit er was zu bewachen hat. Das ist seine unsichtbare Leine. Er bewegt sich keinen Millimeter von der Stelle, streunt nicht durch die Nacht. Er bewacht - komme was da wolle - ihr Hab und Gut. Das nenn ich Pflichtbewusstsein. Wir drei Frauen verbringen bei „einem Gläschen“ Rotwein und vorzüglichem Essen einen sehr lebhaften und fröhlichen Abend miteinander. Wir verabschieden uns in der Hoffnung, uns mal wieder über den Weg zu laufen.
Es ist schon nach 23 Uhr als ich endlich in meinem Gemach zur Ruhe komme. Ausgestreckt liege ich mit Ruddi in meinen Schlafsack und die Wolldecke gemummelt auf dem Rücken. Meine Beine und Füße sagen ganz laut „gracias“, als sie keinerlei Gewicht mehr zu tragen haben. Ich atme tief durch. Was für ein Tagesabschluss! Grandios! Es ist mal wieder alles perfekt. Wer hätte das beim Einzug in dieses so stark frequentierte Örtchen mit seinen 65 Einwohnern gedacht? Es ist so einfach: Immer locker bleiben und vom Besten ausgehen. Buenas noches y gracias por todo.
Donnerstag, 1. Mai 2008
Hontanas (65 Einwohner), 925 m ÜdM, Burgos
17. Etappe bis Itero de la Vega, 21,4 km
Die Nacht war wunderbar ruhig in diesem Gemäuer, es herrschte absolute Stille. Mein Schlaf hingegen war ein Fiasko. Mit Ruddi zusammen ist es sehr eng im Schlafsack. Wir beide sind immer wieder wach geworden und haben uns die ganze Nacht, gezwungenermaßen synchron, hin und her gewälzt. Die Wolldecke rutschte in regelmäßigen Abständen vom glatten Material des Schlafsacks ab. Die spielte mit mir „fang mich, oder ich bin weg“. Die wollte bestimmt nach Hause in ihr gemütliches Wohnzimmer zurück. Aber so haben wir nicht gewettet. Diese eine Nacht musste sie mit mir und meinem Hund verbringen. Meine vordere obere Körperseite war durch die Wärme meines kleinen Vierbeiners auf einer angenehmen Temperatur. Meine Rückseite, die Beine und Füße blieben kalt. Ich bin nicht sicher, aber wahrscheinlich hätte Ruddi lieber in seiner Tasche geschlafen, da kann er sich doch besser ausstrecken - und seine Decke ist nicht so zickig. Was nützt das Nachkarten? Sei’s drum! Wichtig ist doch, dass wir hier willkommen waren und die Herbergsmutter mir ihr letztes „Hemd“ gegeben hat.
Den Geräuschen nach zu urteilen, verlassen die anderen Pilger bereits diese Albergue. So will es das Herbergsgesetz: Spätestens um 8 Uhr müssen alle Pilger draußen sein. Es wird so langsam Zeit aufzustehen. Es ist kurz nach sieben und ich kuschle mich nochmal ganz gemütlich in meinem Schlafsack an Ruddi, zieh mir die Wolldecke bis an die Ohren und wir genießen die Zweisamkeit. Soviel Zeit muss sein. Das ist so schön warm und friedlich. Mein Schnurzel schmiegt sich an mich wie eine Katze. Er gibt sich auch alle Mühe, sich so anzuhören. Die leisen, vibrierenden Geräusche, der er macht, kommen dem Schnurren einer Katze sehr nah. Es wundert mich nicht wirklich. Als er im Juni 2000 zu mir kam, wurde er von meinen beiden Katzen erzogen, bis er ein gutes Jahr alt war. Da hat er sich ’ne Stenge abgeguckt.
Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen, nehme alles in mich auf, was ich erblicken kann. Was ich sehe gefällt mir sehr gut und erweckt meine Fantasie zum Leben. Ich stelle mir vor, was in diesen uralten Mauern schon so alles passiert sein mag: Wie viele Zigarren wurden vor Urzeiten an dem großen Kamin von den Herrschaften geraucht, wie viele Drinks genommen? Welch tiefgründigen Gespräche wurden hier geführt, welche Probleme gewälzt? Wie oft haben Verliebte vor dem Feuer gesessen, sich tief in die Augen gesehen und heiß geküsst, wie wild waren die Feste, die hier stattgefunden haben? Ich sehe sie vor meinem geistigen Auge in ihren prunkvollen Kleidern tanzen und höre sie lachen.
In meine Fantasien versunken drehe ich mich auf den Rücken, strecke mich nochmal aus. Mit einem Lächeln und
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