5 1/2 Wochen
fortgeschrittener Stunde. Sie haben alle ein großes Herz und sind sehr „gastfreundlich“. Mir werden Croissants, Käse, Wurst, Chips, Kekse und Schokolade angeboten. Klar, das gehört zu einer guten Party auch dazu! Na also, wer sagt’s denn: So komme ich also heute zu einem Frühstück. Na? Kann man sich auf sein Bauchgefühl verlassen oder nicht? Na klar! Wieder eine neue Variante. Das Pilgern birgt täglich außergewöhnliche Begegnungen, mit denen man überhaupt nicht rechnet. Ruddi wird ebenfalls mit kleinen Leckereien verwöhnt. Nachdem ich den Nachtisch in Form von Zigaretten bereitgestellt habe, verabschieden wir uns mit sehr innigen Umarmungen in vielen verschiedenen Sprachen voneinander. Ich kann sie noch sehr lange hören, während ich mich immer weiter von ihnen entferne.
Gestärkt wandern mein Hund und ich immer der Nase nach auf dieser Landstraße, die kein Ende nehmen will. Castrojeriz ist schon lange zu sehen, aber es ist wie verhext, wir kommen dem Ort anscheinend nicht näher. Nach dem ausgefallenen Frühstück brauche ich jetzt ganz dringend einen Café con leche.
Auch heute ist es wieder ziemlich heiß. Zum Glück stehen am Straßenrand jede Menge große Bäume, die Schatten spenden. So kurz vor der Stadt ist ein bisschen mehr Autoverkehr als bisher. Da ist volle Konzentration gefordert und das lenkt mich ein wenig von der Überzeugung ab, dass ich laufe und laufe und dem Ort doch nicht näher komme. So findet natürlich auch diese Straße ein Ende. Na so was?!
Direkt am Ortseingang von Castrojeriz befindet sich ein kleines Lokal mit einem Biergarten in einer liebevoll arrangierten Gartenanlage. Da ich mich den ganzen Tag in der Sonne aufhalte, ziehe ich es vor, meine Pause innerhalb des Lokals zu machen. So können Kopf und Körper ein bisschen runter kühlen. Auch die Inneneinrichtung wurde mit viel Liebe zum Detail gemacht und ich genieße in dieser harmonischen Umgebung gleich zwei Tassen meines spanischen Lieblingsgetränks. Mein Reiseführer verrät mir, dass bis Itero de la Vega noch fast zwölf Kilometer vor mir liegen und gleich zu Anfang 100 Höhenmeter auf ganz kurzer Strecke hinauf zur Sierra de Mosterales bezwungen werden wollen. Die Siesta fällt dementsprechend ein bisschen knapper aus, als ich vorhatte.
Castrojeriz liegt am Hang eines Hügels und erstreckt sich auf ungefähr einen Kilometer. Ich bestaune dieses außergewöhnliche denkmalgeschützte Dorf. Ich fühle mich wieder mal in eine andere Epoche versetzt. Es sind nur wenige Menschen unterwegs, es gibt keinen Autoverkehr - zumindest momentan nicht - wenige Geschäfte, absolute Stille. Nur aus den Häusern dringt hier und da ein leises Rumoren, Klappern des Geschirrs und Stimmengewirr. Es sieht so aus, als seien viele Häuser unbewohnt. Ruddi läuft - endlich wieder ohne Leine und trotz der Mittagshitze - gleichmäßig fröhlich vor mir her. In dieser Idylle fühle ich mich gut aufgehoben.
Plötzlich, ohne Vorwarnung, stürzt sich ein Hund - nur wenig größer als meiner - vollkommen aggressiv auf meinen und wirbelt ihn durch die Luft. Er hat ihn im Nacken gepackt und schüttelt ihn wild, dann lässt er für den Bruchteil einer Sekunde los. Ruddi legt sich sofort steif auf den Rücken, begibt sich also in die unterwürfigste Haltung, die er einnehmen kann. Unter Hunden ein eindeutiges Zeichen für „ich ergebe mich“. Der andere ignoriert das und beißt blindlings drauflos. Ich höre meinen Hund jaulen, er lässt sich nicht auf diesen Kampf ein, bleibt regungslos liegen. Ich bin in Panik. Ich schreie so laut ich kann um Hilfe. Mit meinen Pilgerstöcken versuche ich den Wildgewordenen zur Seite zu drängen. Andere Pilger kommen herbeigeeilt, versuchen ebenfalls mit ihren Stöcken den Hund wegzudrücken. Wir achten trotz allem darauf, dem Durchgedrehten nicht wehzutun. So schaffen wir es auch, dass die Beißerei aufhört.
Endlich kommt der Besitzer dieses Hundes aus einem Haus gelaufen, stürzt sich auf sein Tier und verprügelt es so brutal, dass ich ihn anschreie, er solle sofort damit aufhören. Es wundert mich nun nicht mehr, dass diese arme Kreatur so unkontrolliert aggressiv ist. So ein Verhalten sollte bestraft werden. Meiner Meinung nach, kann ein Hund normalerweise nur so gut oder schlecht sein, wie sein Herrchen mit ihm umgeht. So unverhofft er aufgetaucht war, so schnell ist er auch wieder weg.
Zitternd vor Schreck und Entsetzen kümmere ich mich natürlich sofort um Ruddi. Er ist, Gott sei Dank, nur
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