5 1/2 Wochen
schuld. Das hatte ich nicht bedacht. Tja, man lernt nie aus. Die Leine kann ich getrost in der Tasche lassen, die ist hier nicht erwünscht.
Entspannt sitze ich am Fenster und schaue in einen großen Hof. Dort herrscht reges Treiben. Viele Leute laufen hin und her, hängen Wäsche auf, sitzen in Liegestühlen und lesen oder schlafen. Sie sitzen in Gruppen zusammen und erzählen sich was. Sieht fast aus wie eine Herberge, schießt es mir durch den Kopf. Wo ist denn da der Eingang?
Ich frage die Wirtsleute und bekomme eine Antwort, die besser nicht sein könnte. Ich befinde mich bereits in der Herberge. Dort könnte ich zwar nicht schlafen, wegen Ruddi, aber sie haben auch Doppelzimmer und davon würden sie mir und meinem „bonito perrito“ sehr gerne eines vermieten, wenn ich dann wollte. Natürlich will ich! Besser kann ich es nirgendwo antreffen. Ein Pilgermenü bieten sie auch noch an! Worauf warte ich also noch? Blitzschnell sind die Formalitäten erledigt und ich befinde mich in einem sehr gepflegten Zimmer mit einem gemütlichen Bett. Ich genieße die Dusche ein bisschen länger als sonst, richte mich gemütlich ein, hänge meine handgewaschenen Klamotten über den Stuhl und auf die beiden Bügel, die ich gefunden habe und begebe mich dann flugs wieder nach unten zum Essen. Ich könnte „ein halbes Schwein auf Toast“ vertilgen.
Ich verbringe den Abend alleine bei einem hervorragenden Pilgermenü. Das besteht übrigens immer aus drei Gängen: meist Nudeln mit Bolognese, Fleisch mit Pommes oder Kartoffeln und Salat, Nachtisch in Form von Obst oder Flan (Karamellcreme). Dazu gibt es immer eine Flasche Rotwein und Wasser soviel man will.
Ruddi lernt noch den Haus- und Hofhund Toni kennen. Die beiden sind sich sehr ähnlich in ihrer Statur und ihrem Alter. Sie haben also selbst einen Hund, der in ihre Gaststätte völlig integriert ist und, sichtbar für alle, heiß geliebt wird. Deshalb ist mein Schnurzel hier auch so überaus herzlich willkommen. Nach dem Essen gehen Toni, Ruddi und ich noch ein Ründchen durchs Dorf bis zum nächsten Feld, damit die beiden hochherrschaftlichen Rüden ihre Geschäfte erledigen können.
Nach der letzten kalten und mehr oder weniger schlaflosen Nacht in Hontanas mit Ruddi im Schlafsack fallen wir beide in unser jeweiliges Bett und schlafen schon vor dem Augenzumachen.
Freitag, 2. Mai 2008
Itero de la Vega (226 Einwohner), 772 m üdM, Provinz Palencia
18. Etappe bis Villalcázar de Sirga, 27,6 km
Ich glaube, ich war die ganze Nacht ohnmächtig. Ich habe nichts gehört und nichts gespürt seit ich mich in dieses Bett gelegt habe. Mein Schlaf war tief und fest, total erholsam. Obwohl ich mich gestern Abend unbewusst doch noch mit dem tierischen Angriff in Castrojeriz beschäftigt haben muss, denn dieser Zwischenfall drängt sich mir als erster Gedanke heute Morgen auf. Wir alle wachen immer mit dem auf, das uns in den Schlaf begleitet hat. Deswegen beschäftige ich mich normalerweise vor dem Einschlafen möglichst mit den Dingen, die mir gut tun oder die ich mir wünsche. Anscheinend hat mich das Sandmännchen k. o. gehauen. Na, dem werde ich heute Abend ein paar Takte erzählen!
Ich untersuche meinen tapferen Vierbeiner genauestens. Ich kann zwar ertasten, wo die spitzen Zähne des Wildgewordenen rein gehauen haben, aber es sind nur winzig kleine Krusten, die ich entdecke. Ruddi will von der ganzen Sache nichts mehr wissen, schüttelt sich kräftig durch, springt fröhlich aus seinem Taschenbett und spurtet gleich durch zum Wassernapf. Der Schinken von gestern muss ihn förmlich ausgetrocknet haben. Er säuft „in einem Zug“ die ganze Schale leer, ich fülle sie nach und er trinkt und trinkt und trinkt... So kenn ich ihn gar nicht. Ich muss ihn sonst eher zwingen, ein bisschen Wasser zu sich zu nehmen. Die Moral von der Geschieht: Iss geräucherten Schinken nicht!“ Tja, ob Mensch oder Hund, man lernt nie aus.
Nachdem ich meine - zum Glück trockenen - Klamotten wieder im Rucksack verstaut habe, freue ich mich auf ein leckeres Frühstück und mein Schnurzel auf ein Spielchen mit seinem Kumpel Toni. Die beiden begrüßen sich überschwänglich in dem großen Gastraum, der viel Platz zum Toben bietet. Das Wirtsehepaar empfängt mich bereits am Eingang spanisch feurig. Wir schlagen zwar keine Purzelbäume, wie es die beiden Hunde tun, aber die Begrüßung fällt sehr persönlich und warmherzig aus. Sie sind ehrlich interessiert, wie ich geschlafen habe und mich heute
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