5 1/2 Wochen
Felsblock gesessen hat. Wir staunen darüber, dass man sich Tage später ganz unverhofft in der Wildnis trifft. „Wo geht ihr denn jetzt weiter?“ frage ich Achim. Er hält schon seinen Reiseführer bereit, informiert sich und während sich die kleine Karawane wieder in Bewegung setzt, antwortet er: „Immer geradeaus.“ Wenn das keine klare Ansage ist, dann weiß ich es auch nicht.
Ich vertraue Achim und gehe denselben Weg, allerdings wesentlich langsamer und so verlieren wir uns wieder aus den Augen. Ich stelle fest, dass ich heute gar nicht so kaputt bin, wie die letzten Tage. Ich glaube, ich bin momentan besonders gut unterwegs. Bester Laune laufe und laufe ich immer weiter, bergauf und bergab auf einem schmalen und angenehmen Pfad. Ruddi ist ebenfalls besonders gut drauf.
Plötzlich glaube ich, in dieser absoluten Stille zu hören, dass jemand „Ruddi“ ruft. Ist bestimmt nur Einbildung, denke ich. Aber die Rufe wiederholen sich. Ich blicke zurück und erkenne weit entfernt wiederum drei Menschen mit Rucksäcken. Ich überlege wer das wohl sein könnte. Das einzige mir bekannte Trio, das immer wieder zusammen auf dem Camino zu sehen ist, muss logischerweise viel weiter vorne sein. Ich winke den Leuten freundlich mit einer ausladenden Armbewegung zu und gehe weiter - mag jetzt nicht warten, das dauert mir zu lange.
Nach ein paar Minuten wird Ruddi ganz unruhig und läuft bellend in die entgegengesetzte Richtung. Was macht der denn? Ich versuche dahinter zu kommen - drehe mich um. Die Gruppe ist mittlerweile etwas näher gekommen und ich glaube die Aachener, Franz-Josef und Gabi zu erkennen. Franz-Josef erkennt man schon von weitem an seinem markanten Bart und die schlanke Gabi an ihrem blonden, gelockten, halblangen Haar. Die dritte Person ist zwar schon etwas näher als diese beiden, aber ich habe keine Idee wer das sein könnte. Es handelt sich um einen Mann, soviel kann ich sehen. Er legt einen Sprint hin, der Rucksack hüpft auf und ab. Es ist deutlich zu erkennen, dass es eine große Freude für ihn ist, uns zu sehen. Dieser Mann kann es kaum erwarten, bei mir anzukommen. Ich bin gespannt, wie ein Flitzebogen und warte angesichts dieser Szene natürlich auch. Während sie näher kommen, rufen alle drei gut gelaunt immer wieder: „Halli, hallo! Birgit! Ruddi! Wartet auf uns! Dass ihr so schnell unterwegs seid, ist ja kaum zu glauben!“
Ich traue meinen Augen nicht. Das ist doch tatsächlich Hermann! Ich glaube es ja nicht! Er ist also tatsächlich hinter mir gelaufen, wer hat denn dann in den Schlamm geschrieben? Wir fallen uns vor Freude in die Arme und Hermann ist nicht mehr zu bremsen: „Ich habe den ganzen Tag an Euch gedacht. Seid Ihr gut durchgekommen? Ist alles in Ordnung?“ Ich antworte: „Bei uns ist alles prima. Wie geht es Dir? Hat alles geklappt? Wieso bist Du eigentlich hinter mir? Du bist wesentlich früher losgegangen, als ich!?“ „Ich habe mich heute Morgen zuerst einmal heftigst verlaufen. Das hat mich bestimmt eine Stunde gekostet. Ich bin nach einer Weile einfach mitten durch die Felder gestapft. Deswegen sehe ich aus wie die Sau. Keine Ahnung, wie das passieren konnte.“ Ich unterbreche ihn schmunzelnd: „Ich kann es Dir sagen. Ich weiß, wo Du Dich verlaufen hast. Nach den ersten 500 Metern hinter Uterga stand ein sehr großes Schild, das den Pilger rechts abzubiegen bittet. Ich habe danach Deine Ufos nicht mehr gesehen, oder kannst Du Dich mit denen auch beamen?“ „Bist Du Hellseherin?“ „Nö, ich bin ein paar Tage mit Dir unterwegs gewesen und weiß, wie gerne Du vom Weg abkommst.“ Wir müssen laut lachen.
Gabi und Franz-Josef begrüßen mich ebenfalls stürmisch gefühlvoll: „Bist Du etwa ganz alleine unterwegs? Hast Du keine Angst?“ „Nein, mein Kampfhund ist doch bei mir. Aber mal im Ernst: Wovor sollte ich mich fürchten? Ich fühle mich auf dem Camino genauso sicher, wie zuhause auf der Couch. Macht Euch keine Sorgen um mich. Alles ist bestens!“ In der Tat genieße ich es alleine zu gehen, obwohl Hermann und ich unglaublich viel Spaß zusammen hatten. Die Einsamkeit lässt mich jedoch alles wesentlich bewusster wahrnehmen und meine Gedanken fangen an, sich zu sortieren.
Die Aachener verabschieden sich von uns mit einer Umarmung und einem „buen Camino“. Hermann und ich gehen ganz gemütlich die letzten drei Kilometer bis Lorca gemeinsam. Es ist noch recht früh am Nachmittag. Ich glaube, dass wir so gegen 16 Uhr die heutige Etappe beenden
Weitere Kostenlose Bücher