5 1/2 Wochen
zur Hauptverkehrszeit.
Nein, das ist nichts für mich! Ich meine: Jeder soll tun und lassen, Was er will. Die Mehrzahl der Pilger will in einer Herberge übernachten, es gehört für sie dazu - ich akzeptiere das. Aber ich persönlich brauche nach den Strapazen des Tages abends meine Intimsphäre, eine Dusche, die ich genießen kann, solange ich will, saubere bereitgelegte Handtücher, ein frisch bezogenes Bett und Ruhe, damit ich mich in der Nacht wirklich erholen kann. Das ist meine Belohnung, mein Luxus, den ich mir verdient habe.
Als wir wieder draußen sind, gesellen sich noch eine Frau namens Pia und Sören aus Dänemark zu uns und sind aufrichtig an meinem Schicksal interessiert. Sie geben alles, um mich aufzuheitern. Ich tu so, als hätten sie Erfolg. Sicher ist, dass sie mir alle gut tun und ich mich glücklich schätzen darf, sie um mich zu haben. Ich bin nicht alleine auf diesem Weg und erinnere mich daran, dass ich nicht rumheulen wollte - egal, was passiert. Und dann erscheint auch noch Edit aus Ungarn. Sie freut sich sehr, mich hier anzutreffen. Nachdem auch sie Bescheid weiß, nimmt sie mich tröstend in den Arm.
Wir beide besuchen die benachbarte Bar. Edit ist anders als alle anderen. Sie will meine Stimmung nicht ändern, sondern leidet von Herzen mit mir. Sie streichelt meine Hand, sieht mir in die Augen und sagt auf Englisch so etwas wie: „Nimm es, wie es ist. Es ist immer ein Geschenk, auch wenn es im Augenblick noch nicht so scheint. Ich kann Deine Enttäuschung darüber, dass Dein Hund abgelehnt wird, nachvollziehen. Das tut im Herzen weh. Ich weiß das.“ Auch diese verständnisvollen Worte beruhigen mich nicht.
Ich muss weg! An der Bar frage ich nach einem Taxi. Das können sie mir bestellen, dauert aber eine Weile und kostet bis Los Arcos so um die 20 Euro. Da ich morgen auch wieder hierher zurück fahren müsste - ich will ja schließlich jeden Meter des gesamten Jakobswegs selbst laufen - wären das dann 40 Euro. Das ist auf jeden Fall zu viel. Vor allem weiß ich nicht, was mich dort erwartet.
Plötzlich umarmt mich jemand von hinten und sagt: „Ich habe gehört, was passiert ist. Darf ich mich zu Euch setzen?“ Ich staune nicht schlecht, als ich Ina erkenne. Nun sind fast alle da, die ich näher kennen gelernt habe auf dem Jakobsweg. Das beeindruckt mich sehr. Sie wiederum stellt eine ganz andere Frage: „Was ist es denn genau, das Dich so mitnimmt?“ Tja, jetzt muss ich wohl mal ans Eingemachte gehen: „Ich liebe Ruddi sehr und verstehe nicht, dass sie ihn ausschließen. Das ist schlimmer, als wenn es mich betreffen würde. Ich habe außerdem eine Spinnenphobie und muss noch dankbar dafür sein, dass ich auf diesen dreckigen Matratzen schlafen darf. Ich möchte es mir abends nach den Strapazen des Tages in einer Pension gut gehen lassen und das geht heute nicht. Ich will duschen und kann das hier nicht tun, weil ich nicht so freizügig bin, vor fremden Menschen nackt hin und her zu springen. Zu allem Überfluss und für mich vollkommen unerwartet, vermisse ich Hermann. Ich will eigentlich nur weg hier!“ Ich fange tatsächlich in dieser voll besetzten Bar an zu heulen - ich kriege mich gar nicht wieder ein. Dicke Tränen fließen über mein Gesicht, ich schluchze sogar. Mir gehen die Nerven durch. Ich schäme mich. Edit weint mit mir und nimmt mich wieder in den Arm. Ina sagt: „Es ist in Ordnung, dass Du Deine Gefühle raus lässt. Wir wissen doch alle, dass jeder mindestens einmal während dieser Pilgerreise weint. Der eine früher und der andere später. Bei Dir ist eben heute so.“
Nach fast einer Stunde gehen wir wieder zur Herberge zurück. Auf meinen Matratzen liegt immer noch keine Decke. Dafür haben sich einige Pilger um den Kamin versammelt, in dem jetzt ein Feuer brennt. Ist denen eigentlich klar, dass sie in meinem Zimmer sitzen? Meine Freunde sind zum Duschen gegangen und so setze ich mich mit in die Runde. Ich sehe mit Sicherheit total verheult aus. Es ist mir aber zu meiner Verwunderung ziemlich egal. Sören lässt sich neben mir nieder und sieht mich genau an. Er weiß, dass meine Nerven blank Hegen. Ich sage, wieder mit Tränen in den Augen: „Ich will weg.“ Ich kenne diesen Menschen erst eine Stunde, aber seine Umarmung und sein Lächeln beruhigen mich, bringen mich sogar zur Vernunft. Wie kann es sein, dass man sich auf dem Camino nach so kurzer Zeit so vertraut ist?
Wir werden zum Abendessen gerufen. Es ist für mich keine Frage, dass ich Ruddi
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