5 1/2 Wochen
bestelle mir erst mal was zu trinken und setze mich draußen an einen kleinen Tisch. Aus dem Nichts taucht Edit vor mir auf und erzählt, dass sie in der Kirche übernachtet. Ich berichte ihr von der Jugendherberge und dass ich nicht weiß, wie ich dahin kommen soll. Wir sitzen noch ein bisschen zusammen und sie ist nicht glücklich mit dem Gedanken, in diesem Großraum-Schlafsaal zu übernachten. Das ist meine Chance das bevorstehende Abenteuer nicht alleine bestreiten zu müssen: „Komm doch mit zur Jugendherberge.“ Sie zögert, weil ihr Herbergsplatz schon festgemacht ist. Schade!
Ich gehe nochmal in die Bar und frage nach einem Taxi. Nein, ein Taxi fährt hier nicht, kennt man gar nicht. Eine Busverbindung gibt es auch nicht. Aber die Señora hat einen Bruder, der ein Auto fährt und der würde mich zur Jugendherberge bringen. Begeistert nehme ich an und gebe diese Info an Edit weiter. Sie springt auf und sagt: „Ich komme mit. Wait for me.“ Wie von der Tarantel gestochen sprintet die Ungarin los, um ihren Rucksack aus der Kirche zu holen und mir fällt jetzt erst auf, dass ich meine Pilgerstöcke dort oben vergessen habe. Ich stürze ganz aufgeregt in die Bar und mache der Señora klar, dass ich gleich wiederkomme und ihr Bruder auf keinen Fall wegfahren solle, während ich meine Stöcke zurückhole. Ich kann nur hoffen, dass sie mich verstanden hat.
Draußen sitzt an meinem Tisch ein Pilger, den ich vor einigen Tagen kennengelernt habe. Ich schildere ihm die Lage und er ist so nett und passt auf meinen Ruddi in der Tasche auf. Er bekommt noch die Anweisung von mir, dafür zu sorgen, dass niemand merkt, dass sich ein Hund darin befindet, weil dann die Autofahrt und das Jugendherbergszimmer in Gefahr sind.
Gleichzeitig kommen Edit, der Bruder der Señora mit dem Auto und ich vor der Bar an. Der Mann springt aus dem Auto, geht in die Bar, wir hören die Señora reden. Sie ist waschechte Spanierin und sehr temperamentvoll. Er kommt eine knappe Minute später wieder raus, packt sich freudestrahlend und beherzt meinen Rucksack und die Trekkingstöcke, um alles schwungvoll in sein Auto zu befördern. Fast hätte er sich auch die Ruddi-Tasche geschnappt. Ich konnte ihn in letzter Sekunde ausbremsen. Atemlos angesichts so viel spanischem Temperament, frage ich ihn, ob er Edit auch mitnehmen kann. „Sí, sí!“ Und schon landet mit dem gleichen Schwung auch Edit‘s Rucksack im Kofferraum des kleinen aber feinen Wagens. Was für ein Tempo! Angespannt halte ich meine Schatztruhe mit lebendem Inhalt unterm Arm. Er hält mir die Autotür auf, nachdem Edit hinten eingestiegen ist und versucht fürsorglich ein weiteres Mal mich von dem Gepäck zu befreien. Im Kofferraum sei doch noch so viel Platz. Was soll ich sagen? Nur durch Ignoranz, einem breiten Lächeln und festem Griff um die Tasche kann ich Ruddi unentdeckt retten. Die Fahrt geht los. Er fährt zügig, aber sehr gut. Von Hektik keine Spur mehr. Bei jedem Schalten in einen anderen Gang - und er muss oft schalten - stößt er leicht an die getarnte Hundehütte auf meinem Schoß. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Was mache ich wenn die Tasche plötzlich knurrt und bellt? Dieser Mann ist so nett zu uns und ich verpasse ihm einen blinden Passagier! Ich kann doch kein Risiko eingehen, oder? Mein Ruddi weiß jedoch genau worauf es jetzt ankommt, ist mucksmäuschenstill und bewegt sich keinen Millimeter. Ich glaube mittlerweile, dass er Spaß an solchen Abenteuern hat. Ich bin so stolz auf ihn.
Die Jugendherberge liegt im Wald. Es ist ein großes, altes Gemäuer mit einem Turm. Die Besitzerin empfängt uns schon am Auto und freut sich, uns zu sehen. Ich will unserem zuvorkommenden Fahrer einige Euros geben. Er wehrt fast beleidigt ab. Da ist nichts zu machen. Auch er nimmt kein Geld für die Fahrt. Nachdem er unser Gepäck aus dem Kofferraum geräumt hat, ist er genauso schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.
Wir werden ins Haus geleitet und fühlen uns sofort wohl hier. Verständlicherweise wird Ruddi unruhig in seiner Tasche. Er will bestimmt raus, um zu sehen wo wir gelandet sind. Er muss sich noch eine ganze Weile gedulden. Die Jugendherbergsmutter verwickelt uns in ein wohlmeinendes Gespräch und zeigt uns ihre Räumlichkeiten. Sie ist zu recht sehr stolz darauf. Nach einer - nach meinem Empfinden - unendlichen langen Zeit kommen wir vor der Tür unseres Zimmers an. Meine Tasche über der Schulter bewegt sich unbemerkt für die anderen, macht
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