5. Die Rinucci Brüder: In Neapel verlor ich mein Herz
sein können, wenn sie sich während ihrer Krankheit an ihn gewandt hätte, dachte Polly. Plötzlich begegnete er ihrem Blick, und sogleich breitete sich auf seinem Gesicht wieder ein Lächeln aus.
„Mein Bruder und seine Frau sind ein wunderbares Paar“, meinte er. „Es ist Vergangenheit, glaub es mir“, fügte er unvermittelt hinzu, als könnte er ihre Gedanken lesen. Dann gingen sie alle zusammen ins Haus.
Toni kam ihnen mit Matti auf dem Arm entgegen. „Da ist dein papà“, sagte er und wies auf Ruggiero. Matti blickte von einem zum anderen. Schließlich drehte er sich um, legte seinem Großvater den Arm um den Nacken und schloss die Augen.
„Jetzt weiß ich, woran ich bin“, stellte Ruggiero belustigt fest. „Mein Sohn findet mich langweilig.“ „Versuchen wir es doch mal mit einem Spielzeug“, schlug Polly vor. „Hier“, versuchte sie, den Kleinen aus der Reserve zu locken, und drückte ihm den Teddy in die Hand.
Matti öffnete die Augen und warf das Stofftier auf den Boden.
„Der arme Teddy“, sagte Polly und hob ihn auf.
„Vielleicht habe ich mehr Erfolg“, meinte Ruggiero und holte die Pakete, die sie mitgebracht hatten. Daraufhin stellte Toni seinen Enkel auf den Boden, und der Junge beobachtete, wie sein Vater ein Spielzeug nach dem anderen auspackte und vor ihn hinstellte. Ohne zu zögern, griff der Kleine nach dem Lastwagen, und prompt warf Ruggiero Polly einen triumphierenden Blick zu.
In dem Moment kamen Luke und Minnie herein.
Hope lief ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen. „Fein, dass ihr es geschafft habt“, rief sie erfreut.
„Von Rom nach Neapel ist es doch nicht weit. Für einen guten Fahrer ist das kein Problem“, antwortete Luke.
„Hältst du dich etwa dafür?“, fragte seine Mutter lächelnd.
„Nein, ich meinte meine Frau. Sie kann vieles weitaus besser als ich – wie sie selbst auch immer wieder betont.“
Als auch noch Primo und Olympia erschienen, wollte Polly nach oben gehen, doch Hope hielt sie zurück.
„Heute ziehen Sie aber eins der neuen Kleider an“, forderte sie Polly auf. „Sie haben noch keins davon getragen.“
„Sie waren mir zu schade.“
„Solange Sie sich um Ruggiero kümmern mussten, waren Jeans und irgendwelche Tops ja okay. Jetzt können Sie jedoch getrost etwas anderes tragen. Wie wär’s mit dem grünen Seidenkleid?“
Nach einer Weile gesellte sich Polly wieder zu den anderen und war froh, dass sie genauso elegant und modisch gekleidet war wie die reichen Rinuccis. Dennoch hielt sie sich im Hintergrund, um ein Auge auf Matti zu haben. Der Junge stand wieder im Mittelpunkt, und alle waren begeistert von ihm, ganz besonders Carlo und Della, die ihn noch nicht kannten.
So hatte Polly sich eine Familie immer vorgestellt. Im Kreis dieser herzlichen Menschen konnte man sich wirklich nicht einsam fühlen. Matti würde es gut gehen, er würde glücklich sein.
Zum Abendessen setzten sich alle an den großen Tisch. Ruggiero saß Polly gegenüber und sah sie immer wieder lächelnd an. Zur allgemeinen Erheiterung erzählte er, wie streng sie ihn behandle und dass er kaum noch wage, ihr zu widersprechen.
Hope nahm ihre Hand. „Sie sollten ihn heiraten und ihm Disziplin beibringen.“
Daraufhin erwiderte Polly, die etwas zu viel Wein getrunken hatte, sonst hätte sie sich sicher nicht so weit vorgewagt: „Ich glaube, das wäre für mich ziemlich langweilig.“
„Vielleicht auch nicht“, warf Ruggiero ein. „Denk doch an all die Kämpfe, die wir miteinander ausgefochten haben.“
Nach dem Essen stellte Polly mit einem Blick auf die Uhr fest, dass es Zeit war, Matti ins Bett zu bringen. Doch keiner wollte ihn gehen lassen, und so kapitulierte sie schließlich.
Außerdem war der Kleine noch längst nicht damit fertig, alle seine Spielsachen auszuprobieren. Dabei stellte er sich so geschickt an, dass es Ruggiero ein so triumphierendes Lächeln entlockte, als wäre es sein Verdienst. Der Junge machte ihn stolz und hatte damit sein Herz erobert.
Vater und Sohn brauchen mich nicht mehr, ich kann bald nach Hause zurückkehren, überlegte Polly, und es gab ihr einen schmerzhaften Stich. Sie liebte den Kleinen sehr, doch er hatte jetzt andere Menschen, die sich um ihn kümmerten.
Und dann geschah etwas Eigenartiges.
Matti spielte gerade mit einem Auto, schob es vor und zurück, bis es auf einmal umkippte. Daraufhin versuchte er vergeblich, es wieder aufzurichten, und wurde ungeduldig.
„Warte“, sagte Ruggiero, „ich helfe
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