5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
Ehemann einen Bauauftrag hatte. Sie rief während meiner Schicht im Pflegeheim an und redete mit mir. Sie war ein netter Mensch, aber sie konnte nicht nach Hause zu ihrem Vater reisen.
Seine geliebte Rita war mit Ende vierzig gestorben, nur wenige Jahre, nachdem sie Alistair ans Gesundheitssystem verloren hatten. Von Ritas Diagnose bis zu ihrem Tod waren es nur wenige Wochen. Trotzdem erklärte mir dieser liebenswürdige Mann, dass er ein gutes Leben gehabt hatte. Unter Tränen fragte ich ihn, wie er das so sehen konnte. » Ich habe die Liebe kennengelernt, und die Liebe ist in all diesen Jahren nicht einen einzigen Tag weniger geworden « , sagte er.
Am liebsten wäre ich nach Ende meiner Schicht noch geblieben, aber Lenny musste sich ohnehin ausruhen. Jeden Tag betete ich auf dem Weg zum Pflegeheim darum, dass er noch am Leben war. Das war natürlich etwas zwiespältig– denn ich wusste, dass er gehen wollte, wieder bei Rita und seinen verlorenen Kindern sein wollte. Deswegen gönnte ich ihm einen baldigen Tod. Aber im Hinblick auf meine eigene Entwicklung und das Band, das zwischen uns entstanden war, wollte ich die Begegnungen so lange wie möglich ausdehnen.
Er hatte viel gearbeitet, zu viel, wie er meinte. Aber am Anfang hatte er damit seinen Schmerz betäubt, weil er nicht wusste, wie er sonst mit den Verlusten hätte umgehen sollen. In späteren Jahren hatte er auf den Rat von Rose, seiner Tochter in Dubai, eine Therapie gemacht und gelernt, über die Ereignisse zu reden. Nachdem er über seinen Verlust hatte sprechen können, wurde er wieder gesund. Er konnte jetzt ganz freimütig von seinem Leben erzählen. Ich sagte ihm, dass ich dankbar dafür war.
Er fragte mich nach meinem Leben und fand es faszinierend, dass eine junge Frau ihren ganzen Besitz verkaufen konnte, das Auto vollpacken und in ein neues Leben fahren, ohne die geringste Vorstellung, wo die Reise hingehen sollte. Und dass sie das sogar mehrfach getan hatte.
Ich erklärte ihm, wie sehr meine erste ernsthafte Beziehung mein Leben beeinflusst hatte. Damals gab es Bereiche in mir, die erst noch entdeckt werden mussten (und solche wird es immer geben). Doch gerade angesichts der Unterdrückung, die ich damals erlebte, schien mir ein unbekanntes Leben wie ein verführerischer Lockruf. Als die Beziehung schließlich beendet war, fühlte ich mich so frei wie nie zuvor. Ich hatte ihn getroffen, als ich noch sehr jung war, hatte also nie wirklich die Freiheit des Erwachsenenlebens kennengelernt. Am Ende unserer Beziehung war ich dreiundzwanzig Jahre alt und begann zu tun, was alle Dreiundzwanzigjährigen tun sollten: Spaß haben.
Ein paar Monate später fuhr ich sechs Stunden zur Hochzeit einer Freundin und entdeckte eine Seite an mir, die mir seltsam vertraut vorkam. Etwas in mir gehörte einfach auf Reisen, und das würde auch so bleiben. Es kam mir wie die natürlichste Sache der Welt vor, lange Strecken zu fahren. Seither ist mir Freiheit eine der stärksten Triebfedern im Leben. Die meisten Entscheidungen fällte ich nach der Überlegung, wie sie meine Freiheit beeinflussen würden, und entsprechend richtete ich mein Leben ein. Natürlich kann man auch in einem ganz normalen Leben Freiheit erlangen. Mehr als alles andere ist sie ein Geisteszustand. Die Freiheit, man selbst zu sein, ist die größte Freiheit überhaupt, unabhängig davon, in welcher Stadt oder welchem Vorort man lebt.
Lenny sagte, viele Partner glaubten, einander zu besitzen. Zwar sei für jede Beziehung ein gewisser Grad an Kompromissen und Verbindlichkeiten nötig, vor allem, wenn Kinder da seien, aber jeder Mensch müsse sich ein Gespür für sich selbst bewahren. Mit aufrichtiger Neugier befragte er mich weiter zu meinem Leben und hörte auch zu, als ich erzählte, dass ich darüber nachdachte, diesen Job über kurz oder lang an den Nagel zu hängen. » Ja « , sagte er. » Auf dich wartet ein gutes Leben, Bronnie, ohne dass du deine ganze Zeit in der Gegenwart des Todes verbringen müsstest. Geh zurück zu den Lebenden. « Er war ein lieber Mann, und ich lächelte über seinen freundlichen Segen.
Das Pflegeheim stand unter christlicher Trägerschaft. Lenny hatte allerdings nach Ritas Tod aufgehört, zur Kirche zu gehen. Nicht, weil er nicht mehr glaubte, sondern weil es für ihn zu schmerzlich war, dort zu sein, ohne neben sich die wunderschöne Singstimme seiner Frau zu hören. Er meinte, es sei ihm egal, ob sein Pflegeheim ein christliches war, irgendeine andere
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