5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
Feierlichkeit des Moments war es nicht nötig.
Lenny tastete mit geschlossenen Augen nach meiner Hand. Ich stand auf und gab sie ihm. Sein Atem ging rasselnd und unregelmäßig. Ich roch, was mir mittlerweile vertraut geworden war, was sich aber kaum beschreiben lässt– den Geruch des Todes.
Dann schlug Lenny die Augen auf, sah mir direkt in die Augen und lächelte.
Aber es war nicht mein Freund Lenny, den ich kennengelernt hatte. Es war Lenny und die volle Herrlichkeit seiner Seele. In seinem Lächeln lag keine Krankheit mehr. Es war das Lächeln einer Seele, die jetzt frei war vom Ego und von persönlichen Belangen.
Es war die pure Liebe, frei von allem anderen, strahlend, glühend, freudig.
Ich lächelte aufrichtig zurück, und mein Herz zersprang. Wir lächelten beide fröhlich, weil wir wussten, dass am Ende alles nur noch Liebe ist. So ein völlig freies Lächeln hatte ich noch nie empfangen oder gegeben. Nichts stand im Weg, da war nur reine Freude. Während wir uns gegenseitig anstrahlten, blieb die Zeit stehen.
Nach einer Weile schloss Lenny die Augen. Auf seinen Lippen blieb ein friedliches Lächeln. Mein eigenes Lächeln blieb auch, denn mein Herz war zu offen, als dass ich hätte aufhören können.
Wenige Minuten später starb Lenny.
Roy sah von der anderen Seite des Bettes zu, und sein Leben veränderte sich. Er schlug seine Bibel zu und sagte leise, jetzt verstehe er, wie Gottes Liebe aussehe. Er habe das Gefühl, ein Wunder erlebt zu haben, als er Lennys Frieden vor dem Tod sah. Ich stimmte ihm zu, dass Gottes Wege unergründlich sind.
Roy und ich blieben noch eine Weile schweigend sitzen. Ich wusste, dieser Moment würde unwiderruflich vorbei sein, sobald ich dem Personal Bescheid gab, und das musste ich demnächst tun. Als wir uns verabschiedeten, hielt Roy meine Hand eine ganze Weile fest und suchte die richtigen Worte. Er wusste nicht recht, was er sagen sollte oder wie er formulieren könnte, was passiert war. Irgendwie wollte er mich nicht gehen lassen, als könnte sein schöner Luftballon zerplatzen, wenn ich nicht bei ihm blieb und dieses Erlebnis mit ihm teilte.
» Wir sind gesegnet worden, Roy. Das ist alles, was wir wissen müssen « , sagte ich sanft zu ihm. Er umarmte mich fest wie ein verängstigtes Kind, als wollte er nicht damit alleine sein. » Du schaffst das, Roy. «
» Wie kann ich das irgendjemand erklären? « , fragte er.
» Vielleicht kannst du das gar nicht « , lächelte ich. » Oder doch. Ganz egal. Dieselbe Kraft, die uns dieses Wunder beschert hat, wird wieder bei dir sein, wenn du die richtigen Worte suchst, um diese Geschichte zu erzählen. «
Er schüttelte den Kopf, lächelte aber glücklich, als er sagte: » Mein Leben wird nie wieder dasselbe sein. « Ich lächelte liebevoll, und wir nahmen uns noch einmal in den Arm.
Als die Formalitäten erledigt waren, verließ ich das Pflegeheim. Rund um Lennys Leiche war jetzt einfach zu viel Geschäftigkeit. Außerdem hatten wir genug Zeit miteinander verbracht. Der Feierabendverkehr war schon verebbt, und das Licht des Spätnachmittags fiel mit spektakulärem Effekt auf die baumgesäumte Avenue, die ich entlangging. Mein Herz war offen und lächelte. Ich war in alles und jeden verliebt.
Ja, dieser Job hatte seine Höhen und Tiefen. Aber keine Pläne und keine Qualifikation hätten mir jemals solche Geschenke zuteilwerden lassen, wie ich sie in dieser Rolle immer wieder bekommen hatte.
Ich war immer noch ganz euphorisch von dem Geschenk der Liebe, das ich gerade erhalten hatte. Tränen der Freude und der Dankbarkeit rannen mir über die Wangen, während ich mit einem breiten Lächeln weiterging.
Ja. Es ist ein gutes Leben, Lenny. Wirklich ein gutes Leben.
Zeit für neue Wege
Nachdem ich mich um so viele sterbende Menschen gekümmert hatte, war ich ebenso beschwingt wie erschöpft. In meinem Leben hatten sich daraus zahllose positive Veränderungen ergeben, aber ich brauchte einen Wechsel und verfolgte weiter die Idee, Songwriting in einem Frauengefängnis zu unterrichten.
Es gab eine Menge Bürokratie zu bewältigen, und ich musste viel über privatrechtliche karitative Stiftungen lernen– welche davon in ihren Richtlinien überhaupt Möglichkeiten für die Finanzierung eines Projekts wie des meinigen eröffneten und wie ich meine Anträge stellen musste. Einige Ratschläge kamen von einer Gruppe von Frauen, die seit mehreren Jahren Theaterworkshops im Gefängnis abhielten. Wie sich herausstellte, hatte
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