5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
aber auch überall auf der Welt. Die Dankbarkeit wärmte mich, und ich musste lächeln.
Ich dachte nicht an die Vergangenheit oder an die Zukunft. Glück ist jetzt. Und ich war im Jetzt.
Eine Frage der Haltung
Einer meiner letzten Patienten, der großen und bleibenden Eindruck auf mich machte, war ein freundlicher Mann in einem Pflegeheim. Ich hatte meine Abneigung gegen Schichten in solchen Einrichtungen nie überwunden. Die Situation der Heimbewohner bedrückte mich jedes Mal, wenn ich durch die Tür kam. Deswegen akzeptierte ich solche Arbeit auch nur, wenn ich absolut keinen anderen Job mit privaten Patienten in Aussicht hatte. In diesem Fall war ich allerdings froh, dass ich angenommen hatte.
Lenny stand schon kurz vor dem Tod, als wir uns kennenlernten. Seine Tochter hatte mich als zusätzliche Pflegerin angeheuert, weil sie wusste, dass das reguläre Personal zu beschäftigt war, um ihm die Pflege angedeihen zu lassen, die sie sich für ihn wünschte. Er schlief die meiste Zeit des Tages. Tee trank er noch, wenn man ihm eine Tasse anbot, aber Essen lehnte er schon komplett ab. Wenn er wach wurde, klopfte er neben sich aufs Bett, damit ich mich möglichst nah neben ihn setzte, denn er hatte nicht mehr die Kraft, laut zu sprechen. » Ich hatte ein gutes Leben « , sagte er oft. » Ja, ein gutes Leben. «
Das war natürlich eine Frage der Haltung, und es zeigt, dass Glück mehr mit der persönlichen Entscheidung als mit den Umständen zu tun hat. Lennys Leben war alles andere als leicht gewesen. Beide Eltern waren noch vor seinem vierzehnten Lebensjahr gestorben, und in den folgenden Jahren verlor er seine Geschwister, entweder weil sie starben oder weil sie sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten, bis er mit keinem einzigen mehr Kontakt hatte. Als er zweiundzwanzig war, lernte er Rita kennen, die Liebe seines Lebens, die er quasi über Nacht heiratete, wie er es formulierte.
Der Ehe entsprangen vier Kinder. Ihr ältester Sohn war im Vietnamkrieg gefallen, worüber Lenny immer noch den Kopf schüttelte. Er sprach mit scharfen Worten vom Krieg und dem ganzen Wahnwitz, der darin lag. Er meinte, er würde nie begreifen, wie jemand sich einbilden konnte, dass ein Krieg jemals dauerhaften Frieden bringen könnte. Seine Gedanken über die Verrücktheit und die bekümmernde Lage der derzeitigen Weltpolitik konnte ich nur teilen. Schon bald lernte ich die Intelligenz und die Lebensweisheit dieses wunderbaren Mannes zu schätzen.
Ab und zu kamen Schwestern vorbei und boten ihm etwas zu essen an, aber er lehnte jedes Mal mit einem Lächeln ab und schüttelte den Kopf, ohne ihn vom Kissen zu heben. Die Geschäftigkeit auf den Korridoren schien nach einer Weile zu verschwinden, als wären wir in unserer eigenen Dimension, völlig unberührt von dem Lärmen nebenan.
Die älteste Tochter hatte einen Kanadier geheiratet und war weggezogen. Sechs Monate später war sie tot. Sie hatte in einem Schneesturm die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren. » Sie war unser Augenstern « , sagte er von ihr. » Sie war immer unser Augenstern, und jetzt ist sie für immer ein Stern. «
Seit ich in diesem Bereich arbeitete, hatte ich mir abgewöhnt, meine Tränen zurückzuhalten. Je weiter ich mich entwickelte, umso natürlicher verlieh ich meinen Gefühlen Ausdruck, ohne lange darüber nachzudenken. In unserer Gesellschaft gibt man sich immer solche Mühe, den Schein zu wahren, aber der Preis dafür ist zu hoch.
Die Aufrichtigkeit meiner eigenen Gefühle half manchmal auch den Familien, denn das eröffnete auch ihnen die Freiheit, die Tränen fließen zu lassen. Manche Leute hatten sich als Erwachsene nie gestattet zu weinen. Ich war im Laufe der Zeit immer leidenschaftlicher für Ehrlichkeit eingetreten. Daher fiel auch die eine oder andere Träne, als Lenny mir seine Geschichten erzählte. Etwas an der Schönheit dieses Menschen und an der Art, wie er von seinem Leben erzählte, brachte mich zum Weinen.
Lennys jüngster Sohn war zu sensibel für diese Welt gewesen und wurde psychisch krank. Damals gab es noch keine Unterstützung in solchen Fällen, und wenn die Familie gar nicht damit zurechtkam, wurden die Patienten ins Irrenhaus eingewiesen. Lenny und Rita wollte Alistair lieber zu Hause in einer liebevollen Umgebung behalten, doch die Ärzte gestatteten es nicht. Also verbrachte Alistair den Rest seines Lebens in einem Medikamentennebel, und Lenny sah ihn nie wieder lächeln.
Ihre andere Tochter lebte in Dubai, wo ihr
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