5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
unterschiedlich, aber wir spürten trotzdem eine sehr starke Verbindung, und die ging auf unsere gemeinsame Liebe zur Philosophie zurück.
Als Cath wissen wollte, wie ich bei der Sterbebegleitung gelandet war, war sie überrascht, von meiner Karriere im Bankwesen zu hören. » Oh, das kann ich mir ja überhaupt nicht vorstellen « , meinte sie verblüfft.
» Ich mir auch nicht mehr. Gott sei Dank. « Ich lachte. Als ich an diese Zeiten zurückdachte, war ich erstaunt, wie viel in ein Leben hineinpasst und wie schwierig es mir fiel, mir vorzustellen, dass ich mich in dieser Welt bewegt hatte, und das auch noch so lange. » Strumpfhosen, hohe Absätze und Firmenkluft– das war im Grunde nie mein Ding. Genauso wenig wie dieses strukturierte Leben. «
» Das wundert mich nicht, wenn ich so höre, was für ein Leben du seitdem geführt hast « , kicherte sie. Dann wurde sie wieder ernster und fragte, wie lange ich diese Arbeit noch machen wollte und ob ich irgendwelche anderen Pläne hätte. Es gab keinen Grund, es ihr zu verschweigen. Schließlich hatte ich schon gelernt, wie wichtig es ist, aufrichtig zu sein, und es fühlte sich großartig an, frei über dieses Thema reden zu können. In letzter Zeit hatte ich in dieser Hinsicht über viele Dinge nachgedacht, und als ich jetzt mit Cath darüber sprach, gewannen sie viel klarere Konturen.
Irgendwann in den letzten zwölf Monaten war mir die Idee gekommen, ich könnte Songwriting in einem Gefängnis unterrichten. Ich hatte keine Ahnung vom Justizvollzugssystem, aber irgendwie hatte sich diese Idee in mir festgesetzt. Und im Laufe der Zeit war dieses Saatkorn langsam gewachsen. Vor Kurzem hatte ich eine tolle Frau kennengelernt, die mich unter ihre Fittiche genommen hatte und mir zeigte, wie man es anstellt, Sponsoren zu finden.
» Ja, geh zurück zu den Lebenden, Bronnie. Du leistest hier wirklich wundervolle Arbeit, und ganz offensichtlich gehört es ja auch zum Teil zu deinem Lebenssinn. Aber es muss dir doch manchmal auch zusetzen « , meinte sie. Ich erzählte ihr, dass ich mittlerweile fast acht Jahre auf diesem Gebiet arbeitete, und während ich sprach, fühlte es sich an, als würde ich gerade zur Kenntnis nehmen, dass ich tatsächlich demnächst schlapp machen würde, wenn ich so weitermachte. Ich näherte mich dem Burnout.
Es war mir eine unglaubliche Ehre, zu sehen, wie Leute ihren Frieden fanden, Zeuge zu sein, wie sie beim Sonnenuntergang ihres Lebens noch einmal einen großen Entwicklungsschritt machten. Es bescherte mir unzählige Belohnungen, es war befriedigend und erfüllend. Ich konnte nicht leugnen, dass ich diese Arbeit geliebt hatte und es immer noch tat. Aber ich wollte auch irgendwo arbeiten, wo es vielleicht noch ein bisschen Hoffnung gab. Mit Leuten, die die Chance hatten, ihre Entwicklungsschritte noch zu gehen und ihr Leben einschneidend zu verändern, bevor sie starben. Der Wunsch, meine Tätigkeit komplett in den kreativen Bereich zu verlegen, war auch gewachsen, ebenso die Hoffnung, mehr von zu Hause aus arbeiten zu können, sobald ich eine Wohnung für mich allein gefunden hatte.
Als ich mir selbst zuhörte, wie ich all diese Gedanken vor Cath laut aussprach, bekam der ganze Prozess spürbar Energie. Ehe ich mich’s versah, nahmen die Gedanken an Unterricht im Gefängnis immer mehr Raum ein. Meine Zeit im Pflegedienst näherte sich ihrem Ende. Das musste sie, denn ich hatte hier fast alles gegeben, was ich geben konnte.
Kurz vor ihrem Tod erlebte Cath noch einmal einen Aufschwung, und für ein paar Tage schien es ihr besser zu gehen. Dieses Phänomen hatte ich schon öfter beobachtet, weswegen ich jetzt rasch all ihre regelmäßigen Besucher anrief und sie bat, vorbeizukommen und noch einmal ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen, weil sie jetzt rapide ihrem Ende entgegenging. Manche ihrer Freunde wandten sich nach ihrem Besuch noch einmal an mich, weil Cath so gut aussah und wesentlich mehr Energie ausstrahlte. Das scheint einfach ein Geschenk zu sein, das wir manchmal bekommen, wenn jemand sehr lange sehr krank gewesen ist. Auf diese Art können wir ihn ein bisschen leichter so im Gedächtnis behalten, wie er früher war, bevor die Krankheit das Ruder übernahm. Zwei Tage lang hörte man lautes Gelächter aus Caths Zimmer. Sie riss geistreiche Witze und genoss im Zusammensein mit Familie und Freunden völlige geistige Klarheit.
Doch als ich am nächsten Tag kam, sah ich eine sterbende Frau vor mir, die kaum mehr sprechen konnte.
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