5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
ansprach, und entließen sie mit dem Rat, sie rund um die Uhr betreuen zu lassen.
Die Gemeindeschwester wartete schon, als ich kam. » Sie schläft gerade, aber sie wird bald aufwachen. Ich warte so lange mit Ihnen « , sagte sie. Als die Doppeltür aufging, sah ich eine gigantische Marmortreppe, Kronleuchter und ein Haus voll schöner antiker Möbel. Es schlug mir ein entsetzlich fauliger Gestank entgegen.
» Mit der Eingangshalle sind wir fertig. Ich zeig Ihnen den Rest des Hauses « , sagte die Schwester. Sie bezog sich auf den Putztrupp, dem wir im nächsten Raum begegneten. Florence hatte über zehn Jahre in einem Müllhaufen gelebt, ohne dass es jemand merkte, bis vor Kurzem ein Nachbar der Gemeindeschwester gegenüber eine Bemerkung über Florences ungewöhnliches Benehmen fallen ließ. Als sie die alte Dame besuchte, kam das Ausmaß der erbärmlichen Umstände ans Licht. Natürlich nicht mit Florences Einverständnis, denn sie ließ weiterhin niemanden an sich heran, aber die Schwester hatte durchs Fenster gespäht und den Zustand des Hauses entdeckt.
Florence ernährte sich von Dosenkonserven und hatte in ihrer Küche ungefähr einen Jahresvorrat eingelagert. Ich sah keine Spur von irgendwelchen anderen Lebensmitteln, ganz sicher nichts Frisches oder irgendetwas, was man hätte kochen können. Es war fast ein Ding der Unmöglichkeit, den Küchenboden zu sehen, so viel Müll lag herum. Das bisschen Boden, das zu erkennen war, lag unter einer zentimeterdicken schwarzen Dreckschicht. Um Florences Badezimmer stand es nicht viel besser. Es war eine ungesunde Höhle aus schmutzigen Handtüchern, getrockneten Seifenresten und offensichtlichen Anzeichen, dass hier schon sehr lange niemand mehr geduscht oder gebadet hatte.
Die Schwester führte mich nach unten, wo sich weitere sechs Zimmer und mehrere Badezimmer in ähnlich verwahrlostem Zustand befanden. Das Putzteam hatte den Auftrag, das gesamte Haus zu reinigen, und man rechnete mit ein paar Wochen. Vom Untergeschoss aus konnte man zu einem völlig verdreckten Pool gelangen, in dem nicht mal ein Frosch hätte leben können, da bin ich ganz sicher. Als ich dort unten am Becken stand und zum Erdgeschoss des ehemals prunkvollen Hauses hinaufblickte, überlegte ich, was diese Wände wohl erzählen würden, wenn sie sprechen könnten.
Florence selbst hatte im Krankenhaus eine hygienische Wandlung erfahren und trug ein hübsches, sauberes Nachthemd. Ihr verfilztes Haar war entwirrt, gewaschen und geschnitten worden, und ihre Fingernägel waren sauber. Es war, als hätte man eine andere Frau vor sich.
Ihr Originalbett hatte einem Krankenhausbett Platz machen müssen. Man hatte mich deutlich instruiert, dass sie bei hochgeklappten Seitengittern im Bett bleiben musste, wenn ich allein mit ihr war. Morgens und nachmittags sollte jeweils noch ein zweiter Pfleger dazukommen, um mir zu helfen. Am Morgen sollte sie geduscht und für den Tag fertig gemacht werden und frühstücken. Am Nachmittag ging es vor allem darum, Florence in den Garten oder auf den Balkon zu führen, damit sie ein bisschen frische Luft genießen konnte. Zu Florences Betreuung gehörte phasenweise eine starke Sedierung. Den Rest der Zeit wurde sie aber nur mit schwächeren Medikamenten behandelt. Durch diesen Pflegeplan wurde sie viel zugänglicher.
Nach einem Monat erstrahlte das Anwesen wieder in altem Glanz. Der Putztrupp war endlich fertig geworden, sollte aber in Zukunft weiter einmal die Woche vorbeikommen. Mittlerweile hatte Florence manchmal überraschend klare Momente und konnte mir aus ihrem Leben erzählen, das früher einmal grandios und aufregend gewesen war. Sie war auf den luxuriösesten Kreuzfahrtschiffen um die Welt gesegelt und hatte viele herrliche Flecken der Erde gesehen. Manchmal zeigte sie auf irgendeine Schublade, und ich gab ihr die Fotos, damit sie mir zu jedem etwas erzählen konnte. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass die Frau auf den Bildern dieselbe Person sein sollte. Nur manchmal erkannte ich sie in der schönen, jungen Dame, die mir von den Fotos entgegenlachte.
Ich würde nicht behaupten, dass wir ein enges Verhältnis entwickelten, aber wir konnten uns irgendwann so gut leiden, dass wir unsere Gesellschaft akzeptierten. Manchmal gab es auch noch Momente, in denen ich die verrückte Wilde in ihr sah. Ohne einen zweiten Pfleger konnte man sie definitiv nicht aus dem Bett holen. Während sie ganz bereitwillig ihre Medikamente schluckte, machte sie immer noch
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