5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
stellte man ihnen im Speisesaal einen Teller Was-weiß-ich vor die Nase, ohne dass sich das Personal zu einem Gruß oder einem freundlichen Wort bemüßigt gefühlt hätte.
Als sie mein fröhliches Gesicht sahen, berührten die Leute meine Hand, damit ich bei ihnen am Tisch blieb und mit ihnen plauderte. Es waren ganz normale Menschen, geistig völlig klar und an sozialen Kontakten interessiert. Ihr Körper alterte und wurde schwächer, aber das war auch schon alles. Ein, zwei Jahre zuvor hatten diese charmanten, netten Leute noch ein völlig unabhängiges Leben geführt. Als ich in die Küche ging, um das nächste Tablett zu holen, erwarteten mich die finsteren Gesichter der anderen Teammitglieder. Ich hatte auf meiner Runde mit einigen Bewohnern ein bisschen geredet und gelacht, und das rief große Missbilligung hervor. Ich ignorierte es einfach.
Als ich eine Portion Lamm zurückbrachte, erklärte ich der Chefin freundlich: » Bernie hat Huhn bestellt, kein Lamm. «
Sie antwortete halb lachend: » Der kriegt, was wir ihm vorsetzen, aus. «
» Ach kommen Sie. « Ich ließ mich von diesem Unfug nicht einschüchtern. » Wir können ihm doch sicher eine Portion Huhn geben. «
» Der kriegt Lamm, oder er hungert « , erwiderte sie grimmig. Ich sah sie an und hatte Mitleid mit ihr, so offensichtlich unglücklich, wie sie war. Aber vor der Art, mit der sie ihre Rolle ausfüllte, hatte ich keinen Respekt.
Eine nette Kollegin schloss sich mir an, als ich Bernie das Lamm zurückbrachte. » Mach dir wegen der keinen Kopf, Bronnie. Die ist immer so « , meinte Rebecca.
Ich lächelte und war froh über ihre aufrichtige Herzlichkeit. » Ich mach mir auch keinen Kopf wegen ihr. Mir liegen die Bewohner am Herzen, die sich tagein, tagaus so eine Behandlung gefallen lassen müssen. «
» Als ich hier angefangen habe, hat mir das auch ganz schön zugesetzt « , stimmte Rebecca zu. » Aber jetzt tue ich einfach alles, um ihnen im Rahmen meiner Möglichkeiten die netteste Behandlung zukommen zu lassen. «
» Gute Entscheidung « , antwortete ich lächelnd.
Sie tätschelte mir kurz den Rücken, bevor sie weiterging. » Ein paar von uns kümmern sich wirklich liebevoll um die Patienten. Wir sind nicht genug, aber immerhin ein paar. «
Nachdem das Essen serviert und aufgegessen und die Küche aufgeräumt worden war, gingen ein paar Teammitglieder zum Rauchen nach draußen. Ein paar von uns blieben drinnen und plauderten mit den Heimbewohnern, die von ihren Tischen aufstanden und den Speisesaal verließen. Es ging sehr heiter zu, weil sich immer gleich ein Dutzend von ihnen um jeden von uns scharte, um mit uns zu lachen. Ihre Schlagfertigkeit und Fröhlichkeit verblüffte mich, und ich konnte nur staunen über die Widerstandsfähigkeit dieser Menschen, die sich diesen Bedingungen so gut angepasst hatten.
Jeder Heimbewohner hatte sein eigenes Zimmer und Badezimmer. Wenn ich am Abend die Runde machte, um ihnen beim Umziehen zu helfen, erkannte ich in jedem Raum ein wenig von der Persönlichkeit seines Bewohners: hier Fotos von lächelnden Familien und Gemälde, dort Häkeldeckchen und Lieblingstassen. Auf manchen Balkonen standen Topfpflanzen.
Doris hatte schon ihr rosa Nachthemd an, als ich fröhlich ihr Zimmer betrat und mich vorstellte. Doch sie lächelte mich nur wortlos an und wandte den Blick ab. Als ich fragte, ob alles in Ordnung sei, entfesselte ich eine Tränenflut. Sofort setzte ich mich neben sie aufs Bett und nahm sie in den Arm. Sie schluchzte und klammerte sich verzweifelt an mich. Wir sprachen kein Wort. Ich betete um Kraft und wartete ab.
Als die Tränen von einem Moment auf den anderen versiegt waren, griff sie nach ihrem Taschentuch. » Ach, ich bin wirklich dumm « , meinte sie, während sie sich die Augen abtupfte. » Entschuldigen Sie, meine Liebe. Ich bin einfach nur eine dumme alte Frau. «
» Aber was ist denn los mit Ihnen? « , fragte ich sanft.
Doris seufzte, dann erzählte sie mir, dass sie seit vier Monaten hier war und bis jetzt kaum ein fröhliches Gesicht zu sehen bekommen hatte. Sie sagte, durch mein Lächeln seien ihre ganzen aufgestauten Tränen losgebrochen. Als ich das hörte, hätte ich am liebsten selbst angefangen zu weinen. Ihre einzige Tochter lebte in Japan, aber sie standen sich nicht mehr besonders nahe, auch wenn sie sich relativ oft meldete.
» Wenn man als Mutter so ein süßes kleines Mädchen im Arm hält, kann man sich nicht vorstellen, dass irgendetwas jemals diese Nähe
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