5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
erzählt. Wieso bist du nicht zu mir gekommen?«
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
»Das mache ich doch sonst auch.«
»Ja, und ich auch, Mum. Wieso warst du nicht bei dem Rudeltreffen?«
Maria lässt mich los und sieht mich an. »Eine kleine gesundheitliche Schwäche. Aber das kannst du ja wohl nicht mit deiner Situation vergleichen.«
»Aber wenn es dir nicht gut geht, musst du anrufen. Ich wäre doch vorbeigekommen.«
»Wir wollten wohl beide den anderen schützen.« Marias und meine Beziehung war immer schon sehr locker. Wir geben uns Freiraum, damit jeder sein Leben leben kann. Sie hat mich nie wie ein Kind behandelt und mich meine eigenen Entscheidungen treffen lassen. Und trotzdem wissen wir, dass wir füreinander da sind, wenn es drauf ankommt.
Ich nicke und frage dann: »Heiße Schokolade?«
»Heiße Schokolade.« Sie nickt heftig mit dem Kopf und lacht laut.
Zehn Minuten später sitzen wir beide mit einer Tasse in der Hand und unter eine Decke gekuschelt auf der Couch. Zwei Stunden vergehen, bis wir uns die neusten Neuigkeiten erzählt haben.
»Wie geht es Keenan dabei? Er als zukünftiges Alphatier hat viel Verantwortung zu tragen. Und die armen Mädchen. Sabrina war eine Schönheit.«
»Hm. Es ist nicht nur die Verantwortung. Er verausgabt sich völlig. Ich glaube, er macht sich nicht nur Sorgen, sondern hat auch große Schuldgefühle.«
»Der Arme. So viel Last auf diesen jungen Schultern. Zum Glück hat er dich. Gefährten sind ein großer Segen füreinander. Vor allem in so einer Situation stärken sie sich gegenseitig mit ihrer Liebe.« Die Sehnsucht nach solch einer Verbindung spricht aus ihrer Stimme.
Ich habe es ihr nie erzählt. Und Keenan hat auch nie etwas gesagt. Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, dass unsere Beziehung eigentlich keine ist, aber das hätte sie nur traurig gemacht und sie dazu gebracht, sich einzumischen.
Die Nähe der Frau, die mich aufgezogen hat, tut mir gut. An manchen Tagen ist sie wie eine Mutter für mich. Bis dann wieder meine Gepardin zum Vorschein kommt. Maria glaubt, meine Katze kann sie nicht akzeptieren, weil sie sich noch an meine richtigen Eltern erinnert und sie deswegen nicht leiden kann.
Nachdem wir uns beide versichert haben, dass es uns gut geht, zieht Maria weiter. Sie möchte ein bisschen umherstreunen, der Katze freien Lauf lassen.
»Du bist irre, sage ich dir! Vollkommen irre!«
»Ich musste es tun.«
»In ein fremdes Revier eindringen, dich schutzlos und halbnackt vor einem anderen Rudel darbieten? Ja, ich bin sicher, das musstest du.«
»Du weißt, so war es nicht!«, sage ich entrüstet.
Ein paar wütende Seufzer, ein bisschen Geknurre, doch dann beruhigt sich Amanda wieder und sagt: »Ich weiß. Aber ich habe mir verdammt noch mal Sorgen gemacht.«
»Ich weiß, und es tut mir leid.« Wie oft ich diesen Satz heute schon gesagt habe, frage ich mich und weiß keine Antwort darauf. Nun erzähle ich schon zum zweiten Mal von den Ereignissen des gestrigen Tages.
»Du hast sie also gesehen? Wie … «
»Nicht mehr wie sie selbst. Da war kein Leben mehr in ihren Augen. Ihre Haut war kalt. Und ich will gar nicht darüber nachdenken, wie ihr diese Narben zugefügt wurden.«
»Du hast Sabrina sehr gemocht.«
»Das tue ich immer noch.«
Ein Moment der Stille tritt ein, in der wir beide überlegen, wie es wäre, wenn eine von uns an ihrer Stelle wäre. »Ich würde es nicht überleben, wenn du es wärst«, spreche ich meine Gedanken laut aus.
»Dasselbe habe ich eben auch gedacht.«
»Wo ist Kevin eigentlich?«
»Er ist in der Stadt, mit den anderen. Sie suchen alle abgelegenen Lagerhäuser ab, in denen sich die Mörder versteckt halten könnten.«
Ich nicke. »Jetzt, wo du es sagst. Ich muss los. Keenan wollte mich besuchen, um mit mir zu reden und mir zu erzählen, was es Neues in dem Fall gibt.«
»Wie lange hast du eigentlich noch vor, dich so behandeln zu lassen?«
Während ich aufstehe und mir meine Jacke überziehe, denke ich über ihre Worte nach. Ich habe Amanda natürlich erzählt, was gestern zwischen mir und Keenan vorgefallen ist. An der Tür verharre ich und drehe mich um. »Ich weiß es nicht.« Eigentlich sollte es nicht so verzweifelt und traurig klingen.
Leider bin ich noch nie eine gute Lügnerin gewesen.
8
Ich sehe ihn schon von Weitem. Mit nacktem Oberkörper, erhobenen Armen und einer Axt in beiden Händen steht er da. Selbst durch die Scheiben meines Autos höre ich den harten Aufprall,
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