5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
an seiner Unersetzlichkeit zweifeln, wenn er Gaiya dieses Weib gebracht hatte. Grace Darcy.
Es war eine leichte Aufgabe, denn sie war ein leichtes Ziel.
Ihrem Gang nach zu urteilen, war sie wutentbrannt. Wenn er sich nicht irrte, und er irrte sich niemals, dann hatte sie sogar Tränen in den Äuglein.
Asmael stieß ein gehässiges Grunzen aus. Nichts machte Wesen unvorsichtiger als menschliche Affekte.
Diese Frau musste schon förmlich von Gefühlen überrollt gewesen sein, als Asmael sich auf sie stürzte. Von der Meisterfängerin Grace Darcy hatte er mehr erwartet als diese schwache Gegenwehr. Sie brach ihm drei Rippen, vielleicht vier. Sie kugelte seinen Arm aus. Doch er ließ sie gewähren. Sonst wäre es beinahe unsportlich gewesen, und er wollte auf keinen Fall, dass man letztendlich sagen würde, er habe sie nur wegen des Überraschungsmoments fangen können. Nichtsdestotrotz war es ein Trauerspiel, und ehe sie wirklich wusste, wie ihr geschah, war sie bereits bewusstlos.
14
Grace
London, zwischen Schmerzen und Ohnmacht
Ein Kater war schon mies. Ein Kater und dazu ein gebrochenes Herz war schon mehr als nur mies. Ein Kater, ein gebrochenes Herz, höllische Schmerzen im Bauch und im Kopf sowie die Tatsache, an einen Stuhl gefesselt zu sein, umzingelt von zwei äußerst grimmig aussehenden Engeln, das war der Superlativ von mies – es war unerträglich.
Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, und keinerlei Überlebenschance, soweit ich das beurteilen konnte. Auf die vielen Todesszenen, die in meinem Kopf in HD und Dolby Digital abliefen, will ich gar nicht eingehen.
Es war so dunkel, dass ich ohnehin kaum etwas erkennen konnte, und die Tatsache, dass ich wegen der starken Kopfschmerzen (der Wärme an meinem Kopf zufolge blutete ich) ständig meine Augen schließen musste, war zusätzlich hinderlich. Ich habe in meinem ganzen Leben niemals auf einem vergleichbar unbequemen Stuhl gesessen, und als fromme Christin hatte ich schon auf einer ganzen Menge Kirchenbänke gesessen, und wir alle wissen, wie unbequem die sind. Vor allem aber regte mich auf, dass meine letzten Worte an Matthew Delaware gerichtet gewesen waren. Keine innigen Liebesbekundungen, sondern eine zornige Tirade von Weltklasse, sodass das Institut ihn wahrscheinlich am Fahnenmast aufhängen würde, sobald es von meinem Tod erfuhr.
Mein Mitleid ihm gegenüber hielt sich erschreckenderweise trotzdem in engen Grenzen, da mein Überlebenstrieb mich dazu nötigte, stattdessen Chip und Chap, wie ich meine beiden Aufseher liebevoll nannte, im Auge zu behalten.
Wenn Sie sich jetzt fragen, woher ich diese plötzliche Ironie und Gelassenheit nach all der Wut, Trauer und Verzweiflung nahm, kann ich darauf nur antworten, dass der bevorstehende Tod die Grundeinstellung verändert. Meine einzige Sorge war in diesem Moment, dass Mikael Abrahms auf meinem schlecht bepflanzten Grab tanzen würde.
Einer der Engel stand direkt neben mir. Wie alle Engel hatte er goldene Locken und helle Haut, sein Gesichtsausdruck war jedoch ernst und hatte etwas Grausames. Der andere Engel tigerte gedankenverloren durch den kleinen Raum. Obwohl er zwei Köpfe größer als sein himmlischer Bruder war, wirkte er jünger und irgendwie auch freundlicher.
Wenngleich ich mich wirklich darum bemühte, wach zu bleiben, schlief ich doch immer wieder ein.
Erst ein leises, melodiöses Klacken weckte mich. Ich überlegte bereits, ob es sich um einen Fiebertraum handelte, bis mir bewusst wurde, dass sie wirklich auf mich zukam. Und dass sie wirklich sie war. Ich hatte Bilder von Gaiya gesehen. Der Engel von Großbritannien, ein wunderschönes und sinnliches, grausames und kompromissloses Wesen. Kurzum: Sie verkörperte das, was ich mir als Ideal gesetzt hatte, um die perfekte Leiterin zu werden. Und unter uns gesagt: Sie verkörperte es mit einer absoluten Perfektion. Ihr hüftlanges, goldenes Haar wellte sich sinnlich um ihren Körper und niemals zuvor habe ich solch perfekte Flügel gesehen: nahezu weiß mit grauen Spitzen. Ihre Lippen waren voll und perfekt. Was rede ich da? Sie war in jeder Hinsicht schlichtweg perfekt, es spottete jeder Beschreibung.
Und so saß ich ihr gegenüber: in dreckiger Arbeitskleidung, mit Augenringen und ungewaschenen Haaren. Wahrscheinlich roch ich nicht einmal besonders gut. »Grace Darcy«, säuselte sie, und ich zuckte beim Klang ihrer himmlischen Stimme zusammen, wofür ich mich wirklich hätte ohrfeigen können. Das übernahm sie jedoch,
Weitere Kostenlose Bücher