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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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Inneren. Ich kannte mich blind aus, legte meinen Schlüssel wie selbstverständlich neben der Tür auf der Kommode ab, zog die Schuhe aus und hängte die Jacke auf. Aber im Grunde war mir alles fremd.
    Diese seltsame Mischung aus Unbekanntem und Vertrautem machte mich nervöser, als ich es ohnehin schon war. Unnötigerweise, wohlgemerkt. Noah hatte sich in dieser kurzen Zeit als Freund herausgestellt. Als guter Freund. Er half mir, wie er den Zurückgesandten vor mir geholfen hatte. Tat er es aus Schuldgefühlen heraus, um seine Fehler wiedergutzumachen, oder weil ich ihm etwas bedeutete?
    »Möchtest du etwas trinken?« Während ich noch ein wenig verloren mitten im Wohnzimmer stand, schien er sich in meinen vier Wänden bereits wohl zu fühlen. Er nickte freundlich.
    »Ich habe keine Ahnung, was ich im Kühlschrank habe«, bemerkte ich ironisch und versuchte, mich angestrengt daran zu erinnern. Nichts. Gähnende Leere. Ich zuckte die Schultern.
    »Bier? Wein? Wasser? Cola?«, schlug ich wahllos vor und erntete ein Schmunzeln.
    »Ein Bier wäre gut.« Noah fuhr sich durch das schwarze Haar. »Wenn du keins dahast, reicht Wasser auch, danke.«
    Ich nickte und wollte gerade in die Küche gehen, da beugte sich Noah zum Kamin hinunter, um Feuer zu machen. Der Stoff seines T-Shirts spannte sich um seinen muskulösen Rücken, als er in die Hocke ging und die Holzscheite aufstapelte.
    Schade, dass wir uns nicht früher kennengelernt hatten. Doch das Schicksal hatte dafür gesorgt, dass wir uns ständig verpasst hatten – bis kurz vor meinem Tod. Eigentlich tragisch, dennoch entlockte es mir ein winziges Lächeln. Vielleicht hatten wir jetzt endlich die Chance bekommen, uns kennenzulernen.
    Unwillkürlich ertappte ich mich dabei, wie ich Noah mit Josh verglich. Es war absurd, denn zwischen den beiden lagen Welten. Josh war ein typischer aufstrebender Geschäftsmann, der jedoch nicht hart und skrupellos dabei war. Geld bedeutete ihm nicht alles, und er wäre ein liebevoller Ehemann und Vater gewesen. Der Gedanke daran schnürte mir die Kehle zu.
    In der Küche angekommen, wollte ich endlich herausfinden, was mein Kühlschrank hergab. Während ich mechanisch eine Flasche Bier für Noah herausholte und mir ein Glas Wasser eingoss, wanderten meine Gedanken weiter.
    Noah hingegen war alles andere als ein Geschäftsmann. Abgesehen davon, dass er Zurückgesandten nachjagte und ihnen half, wusste ich nicht, was er beruflich machte. Doch der Typ für einen Businessanzug und ein eigenes Büro war er definitiv nicht. Er wirkte naturnah, rau und mit sich selbst im Einklang. Er schien immer zu wissen, was er wollte, doch versuchte er es nicht um jeden Preis zu erreichen.
    Das leise Plätschern des Wassers, das aus meinem überlaufenden Glas auf die Küchentheke strömte, holte mich aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Seufzend griff ich nach einem Küchentuch, wischte das Wasser auf und ging dann mit den Getränken zurück ins Wohnzimmer.
    »Wow« war das Erste, was ich beim Anblick des Raumes hervorbrachte; ich blieb im Türrahmen stehen. Meine Reaktion erschien absurd in Anbetracht der Tatsache, dass das hier mein Zuhause sein und ich es kennen sollte. Tat ich aber nicht. Und so wirkten die hellen Flammen im Kamin, die den Raum in eine heimelige Atmosphäre tauchten, nicht bloß beeindruckend auf mich, sondern in gewisser Weise auch beruhigend. Wahrscheinlich genau so, wie sie es auch sollten.
    »Hier.« Ich reichte Noah sein Bier und ließ mich aufs Sofa fallen. Bequem. Alles in diesem Raum schien auf Gemütlichkeit ausgerichtet zu sein und darauf, ein behagliches Zuhause zu schaffen: die hellen Polstermöbel mit den vielen Kissen, die den künstlerisch anmutenden Couchtisch umrundeten, die Grünpflanzen und der Kamin mit den vielen Fotos darüber. Zum Glück gab es keine Familienfotos, wie ich erleichtert registrierte. Selbst wenn ich nicht hier wohnen würde, hätte ich mich sofort wohl gefühlt.
    Eine Weile schwiegen wir und nippten an unseren Getränken. Noah saß neben mir auf dem Sofa, in einer Hand die Bierflasche, den freien Arm locker auf der Sofalehne liegend. Als er die Flasche zum Mund führte, fiel mir wieder die Narbe an seinem Handgelenk auf.
    »Was bedeutet es?«, fragte ich und stellte mein Glas beiseite. Trotz aller Müdigkeit war ich wieder neugierig geworden. »Das Symbol, meine ich.«
    Noah ließ die Flasche sinken, sah für einen Moment auf sein Handgelenk und gleich darauf wieder zu

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