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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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mir.
    »Unendlichkeit. Ewiges Leben«, antwortete er. »Jeder Zurückgesandte, den ich getroffen habe, trug diese Narbe. Unser Erkennungsmerkmal, wenn du so willst.«
    Unwillkürlich musste ich an unsere Begegnung auf dem Friedhof denken. Nur aufgrund dieser Narbe hatte ich ihm geglaubt. »Du hast mich Kara genannt«, murmelte ich jetzt und runzelte die Stirn. Er nickte langsam.
    »Ich habe dich sterben sehen, und ich wusste, dass etwas nicht stimmte.« Sein Blick rückte in die Ferne, und als er einen Schluck von seinem Bier trank, wirkte er mit den Gedanken ganz woanders. »Früher oder später stehen wir alle vor unserem eigenen Grab.«
    Seine Worte brachten mich zum Grübeln. Als Erstes hatte ich versucht, meine Schwester zu erreichen, dann Josh. Erst als ich mit eigenen Augen gesehen hatte, dass das Leben ohne mich längst weitergegangen war, hatte mein Weg mich zum Friedhof geführt. Zu meinem eigenen Grab.
    Ich seufzte leise und kuschelte mich tiefer in die Polster. Schlaf schien eine immer verlockendere Vorstellung zu sein, doch wollte ich dieses nächtliche Beisammensein mit Noah noch nicht so schnell beenden. Es war das erste Mal seit Langem, dass ich mich wieder entspannen konnte. Schlagartig wurde mir bewusst, dass das auch auf mein altes Leben zutraf. Trotz aller wachsenden Erinnerungslücken war mir klar, dass ich mich auch früher lange nicht mehr so wohlgefühlt hatte. Ob das an Noah lag? An diesem Ort und dem flackernden Feuer des Kamins? Oder an dem, was ich durch meinen Tod und meine anschließende ›Wiederbelebung‹ alles durchgemacht hatte? Egal, Hauptsache, ich konnte diesen Moment noch ein wenig genießen.
    Erst als mein Kopf Noahs Schulter berührte, merkte ich, dass ich unbewusst näher an ihn gerutscht war. Die Müdigkeit ließ meinen Kopf so schwer werden, dass ich ihn nicht mehr selbst aufrecht halten konnte. Unter anderen Umständen hätte ich mich peinlich berührt entschuldigt und wäre sofort wieder in meine Ecke des Sofas gesprungen, doch wie so vieles war diese Situation völlig anders.
    Noah schien sich nicht daran zu stören, dass ich ihn als Kopfkissen missbrauchte. Sein Arm glitt um meine Schultern, was mich leise seufzen ließ. Ein sanftes Streicheln auf meinem Oberarm, ein warmer Körper mit kräftigem Herzschlag und dieser Duft. Dezent und natürlich-herb. Genauso wie Noah selbst.
    Meine Gedanken drifteten zu den letzten glücklichen Tagen in meinem Leben ab, die ich gemeinsam mit Mia und Grandma verbracht hatte. Wir saßen zusammen im Wintergarten, aßen Eis und genossen die Wintersonne. Ich konnte die warmen Strahlen beinahe auf meiner Haut spüren und Grandma eine der vielen Geschichten von früher erzählen hören. Sie wusste so vieles, und jedes Mal, wenn sie etwas Neues erzählte, hatte ich das Gefühl, bisher nur einen Bruchteil all der Erlebnisse aus ihrem langen Leben zu kennen. Es war ein schönes Gefühl, das mich in wohlige Wärme und tröstende Erinnerungen hüllte. Wie eine sanfte Umarmung.
    »Kara … « Ich meinte, die leise Stimme meiner Großmutter zu hören, die wie von ferne an mein Ohr drang. Doch das war sicher nur Einbildung.
    Noahs Arm glitt von meinen Schultern auf meinen Rücken und ein zweiter fasste behutsam unter meine Kniekehlen. Ich verlor den Bodenkontakt, schwebte frei in der Luft und schmiegte mich noch näher an die Wärme und den herben Duft, der mich umfing.
    Viel zu früh landete ich wieder, aber es war eine weiche Landung, wie auf kühlen Wolken. Die Arme lösten sich nur langsam von meinem Körper. Ich gab einen leisen Protestlaut von mir, der mich aus meinen Träumen zurück ins Hier und Jetzt beförderte.
    Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah direkt in die von Noah. Es war dunkel um uns herum, lediglich der Schein der Straßenlaternen von draußen erhellte das Zimmer ein wenig.
    »Du bist auf dem Sofa eingeschlafen«, flüsterte er, rührte sich jedoch keinen Zentimeter und blieb mir ganz nahe.
    Ich schluckte und nickte leicht. Alles in meinem Kopf war irgendwie verschwommen. Selbst jetzt hatte ich noch das Gefühl, als würden die letzten Reste meines Traumes nach mir greifen und mich zurück in den erlösenden Schlaf führen wollen.
    Noah richtete sich auf, doch meine Hand legte sich wie von selbst auf seinen Arm und hielt ihn zurück.
    »Nicht«, hauchte ich. Seine Nähe tat mir gut und ich brauchte sie ganz besonders in diesem Moment. Alles, was geschehen war, verblasste in Noahs unmittelbarer Gegenwart. Aber es war nicht

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