5 Tage im Sommer
wie Sie, Entschuldigung, eher so um die fünfzig. Hat weiße Haare und total weiße Haut, als würde er nie in die Sonne kommen. Und er trägt immer diese blaue Mütze mit so ’nem verknoteten Stück Tau vorne drauf und ’nem kleinen Schirm.«
»So eine Art Seglermütze?«
Susannah zuckte die Achseln. »Er hat auch immer dieselbe weiße Jacke an. Wir nennen ihn Mister White.« Sie verdrehte die Augen. »Ich war echt überrascht, dass er gestern tatsächlich mit jemandem sprach. Normalerweise ist er eher ein menschenscheuer Kauz.«
»Können Sie sich erinnern, mit wem er gesprochen hat?«, fragte Will in der Hoffnung, dass es nicht Emily gewesen war.
»Eine Dame. Älter als er, aber …«
»Nicht so alt wie ich?« Geary schmunzelte.
Susannah blinzelte verlegen. »Das hab ich nicht so gemeint, echt nicht, sie war eben eher wie meine Oma. Aber sie hatte blondes Haar. Und sie trug so ein fettes Goldarmband mit Anhängern. Ich glaube, sie war auf den Kerl sauer.«
»Wann war das, Susannah? Während die erste Dame, die Sie nicht gesehen haben, bezahlte?«
Susannah schüttelte den Kopf. Eine Franse ihres wasserstoffblonden Haares fiel ihr ins Gesicht. »Nein, später, nachdem er auch bezahlt hatte.«
»Die erste Lady war also fort, die, nach der wir suchen, und er war noch hier im Supermarkt und stritt sich mit der blonden Schönheitskönigin?«
Susannah lachte. »Das muss ich Pam erzählen! Sie stritten gar nicht miteinander, sie hat ihn angemeckert.«
»Und er?«, fragte Geary.
»Hat nur zugehört. Er hat sie nicht mal richtig angesehen. Und dann hat er seinen Wagen aus dem Laden geschoben. Sie ist noch einen Moment stehen geblieben und dann auch gegangen.«
»Hatte er eine Menge eingekauft?«
»Nein, im Gegenteil. Nur ’ne Menge Maiskolben. Die waren gestern im Angebot, einen Dollar das Dutzend.«
Geary nickte. »Sonst noch was, woran Sie sich erinnern?«
Susannah verpackte inzwischen die Einkäufe ihrer Kundin in Tüten. »Eigentlich nicht. Er ist sozusagen normal groß, nicht besonders dick oder schlank, schon ein bisschen älter und eben auffällig weiß und sonderbar.«
»Wie kann ich Pam erreichen?«, fragte Geary. »Vielleicht weiß sie ja noch mehr.«
Susannahs Blick huschte zu Geary; innerhalb einer Sekunde hatte sie sich entschieden, ihm die Telefonnummer ihrer Freundin anzuvertrauen. Sie schrieb sie auf einen alten Bon, den jemand zurückgelassen hatte, und reichte ihn Geary.
»Ich werd ihr sagen, dass ich mit Ihnen gesprochen habe.«
»Danke.« Geary zwinkerte ihr zu.
Susannah lächelte zurück und machte sich daran, die Waren des nächsten Kunden zu scannen.
Will und Geary gingen durch die automatischen Türen an die klare Morgenluft.
»Darf ich mal Ihr Telefon leihen?«, fragte Geary.
Will reichte ihm sein Handy. Geary drehte es in der Hand, bis er herausbekam, wie man es aufklappte. Dann wählte er die Nummer, die auf dem Bon stand.
An der Art, wie Geary die Augen verdrehte, konnte Will deutlich erkennen, dass er mit einem Anrufbeantworter sprach. Die Nachricht, die Geary hinterließ, war langatmig, vermittelte aber sein Anliegen. Er hinterließ seine Privatnummer und bat Pam um einen Rückruf.
»Wie finden wir jetzt Emily?« , fragte Will.
»Wir? Sie meinen sich selbst und das Mashpee Police Department?«
»Meinen Sie, ich sollte die State Police anrufen?«
»Noch nicht. Die sind gut, aber sie legen auch erst mal nur eine Akte an. Eine Vermisstenanzeige erregt anfangs eine Menge Aufmerksamkeit, aber das versickert schnell. Es sei denn, Geld ist im Spiel oder es handelt sich um ein Kind.«
Will blickte Geary ins Gesicht. »Was denken Sie?«
»Ich hab eine Ahnung. War ich in das Wir von eben eingeschlossen, Will?«
»Ich beauftrage Sie. Und ich zahle Ihnen, was Sie verlangen.«
»Ich brauche kein Geld. Ich möchte nichts als die Erlaubnis, alles, was ich vielleicht herausbekomme, in meinem Buch zu verwenden.«
»In Ihrem Buch?«
»Unaufgeklärte Verbrechen. Wenn meine Vermutung stimmt, dann könnte einer der Wirrköpfe, die ich schlummernd in einem Aktenschrank gefunden habe, gestern hier eingekauft haben.«
»Mister White?«
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wenn sie nicht gefasst werden, wissen wir nicht, wer sie sind. Das ist das Puzzle. Mein Job war es, eine Art Linse zu schaffen, mit deren Hilfe man ein Verhaltensprofil erstellen kann. Wir sammeln alles, was wir haben, und werten es dann aus. Sie würden überrascht sein, was man alles herausbekommt. In
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