5 Tage im Sommer
ließ den Blick prüfend über die nähere Umgebung des Volvos schweifen und bückte sich, um unter dem Auto nachzuschauen. Doch da war nichts, kein Tropfen Öl, keine Schlüssel, kein Fremder, den man hervorzerren und zusammenschlagen konnte.
Noch in der Hocke, hörte Will einen Wagen näher kommen und ganz in der Nähe halten. Er richtete sich auf und sah, wie sich die Fahrertür der braunen Limousine öffnete und John Geary ausstieg. Will war nicht sonderlich überrascht: ein Cop im Ruhestand, der Beschäftigung brauchte. Geary sah zerknittert und zerzaust aus, seine struppigen weißen Locken hätten dringend einen Friseur gebraucht. Er trug zwar einen Ehering, aber es gab anscheinend niemanden, der ihn aufgefordert hätte, die fleckigen Hosen zu wechseln.
»Sie haben es also gefunden.« Geary näherte sich dem Volvo. »Das ist ihr Auto.«
Will nickte. »Die Lebensmittel sind auch noch drin.«
Geary trat näher und streckte seinen Kopf in den Kofferraum. Er verzog das Gesicht. »Ich habe schon Schlimmeres gerochen. Leider.« Geary schaute sich suchend um. »Zu dumm, dass es letzte Nacht geregnet hat. Die Spurensicherung wird nicht viel finden. Aber wahrscheinlich hat er den Wagen sowieso nicht berührt, sondern gewartet, bis sie die Sachen eingeladen und den Kofferraum wieder geschlossen hatte.«
»Er?«
Geary wandte sich zu Will. »In neunundneunzig Prozent aller Fälle ist es ein Er. Waren Sie schon im Supermarkt?«
Will mochte Geary durchaus, aber diese Bestimmtheit gefiel ihm nicht. Gearys Annahmen riefen Bilder auf, die Wills Verstand nicht akzeptieren konnte. »Ich geh jetzt rein«, sagte er und drehte sich um.
»Moment mal.« Geary langte in den stinkenden Kofferraum des Volvos und kramte so lange zwischen den Einkaufstüten, bis er den langen weißen Kassenbon gefunden hatte. Er sah ihn kurz durch und richtete dann seine wässrigen blauen Augen auf Will. »Kasse Nummer acht.«
Will dankte Geary mit einem Nicken, aber als dieser ihm den Bon geben wollte, schüttelte er den Kopf. Diese Information war nützlich, aber das Stück Papier brauchte er wirklich nicht. Er war nicht sicher, weshalb, aber er wollte es lieber nicht berühren.
Geary nickte, ohne jedoch zu lächeln. Sein Blick blieb abwartend auf Will gerichtet. Schließlich sagte er: »Ich könnte Ihnen helfen, wissen Sie.«
Hatte auch gestern ein Fremder Emily seine Hilfe angeboten? Um die Lebensmittel im Auto zu verstauen? Ich könnte Ihnen helfen , wissen Sie . Hatte es so einfach angefangen?
»Ich weiß nicht recht«, sagte Will. Lass mich dich umarmen , hatte Mrs. Simon in sein vierjähriges Ohr geflüstert. »Ich denk drüber nach.«
Will drehte sich um und ging über den Parkplatz auf den Supermarkt zu. Er spürte Gearys Blick in seinem Rücken. Das durchgeschwitzte Hemd klebte ihm auf der Haut. Als die automatischen Türen zur Seite glitten, war er dankbar für den Schwall trockener, kalter Luft, der ihm entgegenkam. Es war noch früh am Tag, und der Supermarkt war bis auf ein paar Leute an der Café-Bar fast leer. Will beneidete die Unbekannten um ihr kleines alltägliches Ritual. Wie gerne würde er jetzt den Morgen mit seiner Familie verbringen: Frühstück mit allen, dann die Jungen auf dem Schulweg begleiten, mit Maxi spielen, während Emily unter der Dusche stand, und dann wieder ins Restaurant für einen langen Arbeitstag und einen späten Feierabend. Das war bis gestern noch seine eigene Routine gewesen.
Er ging an einer scheinbar endlosen Reihe von Kassen vorbei, bis er die Nummer acht erreichte. Das Licht am Markierungspfosten war aus, die Kasse geschlossen. Eine Sackgasse. Aber in einer Sackgasse stellte man nicht den Motor ab, sondern man wendete und suchte den nächstmöglichen Ausweg.
Fünf Meter hinter sich, in Richtung Haupteingang, entdeckte Will an der Wand einen Schalter, über dem Information stand. Es war nahe liegend, dort anzufangen.
Er trat vor den Schalter und betätigte eine kleine Klingel, die auf dem silbern und rosa gesprenkelten Resopaltresen stand. Nichts passierte. Er läutete nochmals. Niemand schien Notiz von ihm zu nehmen. Wütend drückte er viermal auf die Klingel.
Endlich tauchte ein junger Mann aus dem Hinterzimmer auf. Er trug ein gestärktes weißes Hemd mit kurzen Ärmeln und dazu eine blau-rot gestreifte Krawatte, die viel zu kurz war. Ein Namensschild über der Hemdtasche wies ihn als Todd , Manager aus. Er sah keinen Tag älter als fünfundzwanzig aus.
Todd lächelte und
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