5 Tage Liebe (German Edition)
Kerl.“
„Er ist heute überdreht, eigentlich ist er viel ruhiger.“
Ich folge ihr über den Flur ins Wohnzimmer, wo nur ein alter Ledersessel und ein Couchtisch stehen, dazu ein Fernseher, ein Schrank, vollgestopft mit Büchern, zwei Kartons, eine Decke, zwei große Kissen. Es ist offensichtlich, hier wird gerade eingezogen. Maya setzt sich auf den Sessel und verfolgt meinen Blick, der über die Buchrücken im Schrank wandert.
„Fabian ist verrückt nach Märchen. Frag mich nicht wieso. Ich denke, es hat damit angefangen, dass wir ihm früher welche vorgelesen haben.“
„Märchen?“
Tatsächlich sind so ziemlich alle Märchen, die jemals zu Papier gebracht wurden, in diesem Schrank vertreten. Standardwerke, aber auch Exotisches. Alles steht hier, in Reih und Glied.
„Er ist eben verrückt danach.“
„Und nach Pfeffer?“
Ich drehe mich wieder zu ihr und komme langsam auf sie zu. Ich möchte Fabian gerne etwas besser verstehen, und ich denke, sie versteht ihn am besten.
„Bei Fabian gibt es meistens nur Extreme. Er überwürzt alles, damit er überhaupt etwas schmeckt oder fühlt. Deswegen schlägt er sich auch manchmal selbst, allerdings sehr selten. Die Medikamente helfen.“
„Und die zweitausend Euro?“
Ich nehme vor ihr auf einem Karton Platz und lege meine Hände auf ihre Oberschenkel. Sie legt ihre auf meine und hält sie fest, während sie weiterspricht. Es ist das erste Mal, dass ich nach dem Geld frage. Vielleicht hatte ich gehofft, sie würde mir während der Fahrt von alleine mehr darüber erzählen, aber jetzt sind wir hier.
„Fabian begeistert sich für wenige Sachen, weil seine Konzentration schnell von hier nach da huscht.“
Ich nicke.
„Märchen, Bücher und Fische.“
„Fische?“
„Komm mit.“
Sie zieht mich vom Karton hoch und wir gehen zusammen ins andere Zimmer. Auch hier sieht es nicht danach aus, als ob Menschen schon lange hier wohnen. Nur ein kleines Aquarium auf dem Tisch am Fenster zeugt von der liebevollen Einrichtung. Drei kleine Fische tummeln sich im Innern, schwimmen um einander herum. Daneben alle Futterboxen, wie die Orgelpfeifen nach Größe sortiert.
„Er liebt Fische über alles. Uns ist vor einer Weile aufgefallen, dass er völlig loslässt, wenn er sich mit ihnen beschäftigt. Es tut ihm gut.“
Ich beuge mich vor und beobachte das langsame Tanzen derschuppigen Freunde im Wasser. Es beruhigt mich binnen Sekunden. Kein Wunder, dass es eine angenehme Wirkung auf jemanden wie Fabian hat.
„Wir wollen die Delfintherapie mit ihm versuchen.“
Ich sehe wieder zu Maya. Ich habe schon oft gehört, dass solche Therapien mit Tieren den Kindern geholfen haben.
„Hier in Barcelona haben wir eine gefunden, die Fabian angenommen hat. Natürlich zahlt die Versicherung das nicht. Wie üblich.“
Sie zuckt nur die Schultern, als hätte sie sich schon längst damit abgefunden. Ich werde immer noch etwas wütend, wenn ich das höre, aber sie hat sich daran gewöhnt.
„Dafür also das Geld.“
Sie nickt. In ihren Augen sehe ich diesen kleinen Hoffnungsschimmer, der sie vorantreibt. Ich habe in den Augen ihrer Mutter das Gleiche gesehen. Sie klammern sich an alles und versuchen, keine Möglichkeit unversucht zu lassen.
„Kannst du das verstehen?“
Ich nicke. Ich war noch nie in einer solchen Situation, aber jetzt bin ich als Zaungast dabei. Obwohl ich mit Fabian kaum ein paar Worte gewechselt habe, sehe ich doch, wie wichtig er Maya ist. Sie geht liebevoll mit ihm um, und er sieht zu ihr auf. Sie muss es versuchen. Was auch immer sie sich von der Delfintherapie verspricht – ich hoffe, es tritt ein.
Sie legt die Arme von hinten um mich und küsst meinen Nacken.
„Ohne dich wäre das alles vielleicht nie so gekommen.“
Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Maya hat einen sehr sturen Kopf und findet Möglichkeiten, wenn sie will. Nicht immer müssen diese konventionell sein, aber sie findet Wege. Soviel weiß ich schon über sie.
Hinter uns wird die Tür geöffnet, und Fabian kommt ins Innere. Maya löst sich aus der Umarmung, Fabian tritt wortlos neben das Aquarium und mustert mich misstrauisch. Ich hebe abwehrend die Hände.
„Schöne Fische.“
Wie wird man Freund mit dem Bruder der Freundin? Wie gewinnt man ein Herz, wenn man Angst hat, sonst besagte Freundin zu verlieren?
„Meine Fische.“
Er nickt und zeigt auf das Aquarium, beobachtet sie ganz genau, Ich bewege mich nicht.
„Ich werde auch mit Fischen schwimmen.“
Genau
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