5 Tage Liebe (German Edition)
um. Es ist Volker, Klassensprecher in der achten Klasse. Ich will ihm sagen, dass ich jetzt gerade in diesem Augenblick keine Zeit habe, aber die Musik wird bereits abgestellt und er schnappt sich das Mikrophon. Die Leute erwarten mich, und ich stelle erneut fest, ich habe kein besonders gutes Timing.
„Geh nur. Ich warte.“
Maya lächelt und will tapfer klingen, dabei hat es sie eine gehörige Portion Überwindung gekostet, um endlich mit der Sprache herauszurücken. Ich nicke und erhebe mich. Meine Freunde klatschen und ich spiele mit. In meinem Kopf frage ich mich noch immer, was wohl die bedruckten Papierseiten in Mayas Armen zu bedeuten haben, aber jetzt muss ich einen Weg zurück in diese Realität finden.
„Ich kenne den guten Jonas schon unendlich lange. Wir sind Kumpels seit der Schulzeit.“
So fangen alle Reden wohl an. Ich nicke an den richtigen Stellen, spiele mit, weil sich alle Mühe gegeben haben und ich unseren letzten Abend nicht ruinieren will. Volker erzählt von Momenten in der Schule; wie ich mir auf einer Freizeit mit einer Sicherheitsnadel selbst ein Ohrloch gestochen und binnen Sekunden das Bewusstsein verloren habe; und wie ich danach von meinen Freunden verlangte, es a) niemandem zu sagen und mich b) nur noch mit dem Namen Sid Vicious anzusprechen. Er entschuldigt sich dafür, Versprechen a) zu brechen, aber die Lacher der Gäste geben ihm Recht, und ich lache mit. Hauptsächlich, weil es wirklich lustig ist, aber auch ein bisschen, weil ich Maya zeigen will, dass sie hier nur eine Nebenfigur ist.
„Viel wichtiger, lieber Sid, ist aber die Tatsache, dass du uns hier fehlen wirst. Als Mensch und Freund, aber es beruhigt mich, zu wissen: wer dich einmal in seinem Leben hat, der verliert dich nie. Egal wie weit weg man ist.“
Er hält seine Bierflasche in die Luft und alle trinken auf mich. Ich bedanke mich artig und brauche mehrere Schlucke, um den Kloß in meinem Hals runterzuschieben. Das wird hier heute nicht ohne Tränen enden, das wissen alle.
Volker umarmt mich, und dann auch noch seine Freundin. Und deren Freundin, die ich in der Oberstufe kurzzeitig süß fand, und dann noch ein anderer Freund. Ich umarme viele Menschen, nur nicht die Person, die ich doch so gerne in meine Arme nehmen möchte.
Maya sitzt noch immer da, hat aber einen neuen Gesprächspartner. Eine meiner Ex-Freundinnen, und ich halte das für keine gute Mischung. Aber bevor ich zu einer Unterbrechung ihrer Unterhaltung eingreifen kann, greift eine Hand nach meinem Arm und zieht mich in eine andere Richtung.
Ich bekomme ein frisches Bier, schon werde ich in einen neuen Strudel aus Erinnerungen gezogen. Ich wehre mich nicht mehr, was ohne Zweifel auch am Bier liegt. Ich lache, weil ich es zulasse. Ich trinke, weil ich es möchte, endlich genieße ich diesen Abend. Manchmal spüre ich ihren Blick in meinem Rücken und das tut gut. Sie ist hier, das habe ich mir vor ein paar Stunden noch nicht einmal erträumt – und jetzt ist sie mit mir zusammen auf diesem Dach. Aber ich kann nicht nur noch an sie denken, ich muss auch an mich denken. Sie ist mir viel zu nahe gekommen in den wenigen Momenten, die wir zusammen verbracht haben.
„Kann ich ihn kurz entführen?“
Ihre Hand schiebt sich in meine wie das letzte, entscheidende Puzzlestück.
„Sicher, gib ihn nur am Stück wieder.“
Patrick sagt es im Spaß und alle lachen. Aber ich verstehe, was Patrick damit sagen will und nehme seine Worte als Warnung mit, während ich Maya folge.
„Ich weiß, ich habe heute kein besonders gutes Timing, aber ich muss noch was loswerden. Und heute passe ich irgendwie nicht hierher.“
Maya, die große Maya, die sich überall wohlfühlt, die alle mit ihrem Charme verzaubert, steht hier vor mir und wirkt fast verschüchtert und unsicher. Der Wind hier oben auf dem Dach bringt ihre ohnehin schon wilde Mähne noch mehr durcheinander, und sie hat Schwierigkeiten, die Locken zu bändigen.
„Das sind nur meine Freunde. Die beißen nicht.“
„Ich weiß. Aber ich bin hier, weil ich dir etwas geben will.“
Sie deutet nickend zu den beiden Strandstühlen, die inzwischen von anderen eingenommen sind. Dort liegt der Stapel Papier, darauf eine Flasche Bier als Briefbeschwerer.
„Was ist das denn genau?“
Ich halte die Frage für einfach, deswegen wundert es mich, wieso sie mich nur ansieht und tief Luft holt. Das tut sie nun zum wiederholten Male. Es wundert mich, weil es ihr doch nie schwer gefallen ist, zu sagen, was
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