51 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 03 - Jagd durch die Prärie
der Betrübnis über ihr Gesichtchen. Das tat ihm weh, und darum legte er ihr die Hand auf den Arm, trat ihr einen kleinen, ganz kleinen Schritt näher und fragte:
„Bitte, habt Ihr Leflor nur wegen der Nervosität des Vogels fortgewiesen?“
Almy blickte voll und ehrlich zu ihm auf, und er in derselben Weise zu ihr nieder. An diesen Blicken rankten sich die Seelen zueinander hinüber. Jetzt war es Almy unmöglich, den Schein noch länger aufrechtzuerhalten, und sie antwortete, ihr Auge nicht von dem seinigen lassend:
„Nein. Der Vogel ist ja gar nicht krank. Nicht wahr, Monsieur Adler?“
„Ja, er ist kerngesund“, lächelte er. „Und ich konnte Leflor nicht leiden. Er ist ein böser Mensch. Nun ist er fort und kommt nicht wieder. Gott sei Dank!“
In diesem Augenblick schlug der Papagei mit den Flügeln und rief:
„Adler, Adler! Mein Süßer, mein Lieber! Wo bist du denn?“
Almy hätte tief, tief in die Erde hineinsinken mögen. Über Adlers Gesicht glitt ein wonniger Schein, aber er beherrschte sich und sagte:
„Schaut, er sehnt sich nach seinem Kameraden, nach dem Bergadler draußen vor der Veranda. Es wird am besten sein, ihn hinauszubringen.“
Wieder Rettung in der aller- und allerhöchsten Not. Almy warf ihm einen Blick innigsten Dankes zu und trug eiligst den Vogel hinaus. Als sie zurückkehrte, hatte ihr Gesicht einen ganz eigenartigen Ausdruck, so fromm, so erlöst, als ob sie soeben vom Tisch des Herrn komme, an dem sie Vergebung der Sünden empfangen habe. Sie streckte ihm das Händchen hin und fragte:
„Seid Ihr mir noch bös, Monsieur?“
„Ich Euch bös? Weswegen sollte das gewesen sein?“
„Weil ich Euch die Unwahrheit gesagt habe in Beziehung auf den Papagei?“
Da ergriff er die dargebotene Hand und auch die andere, drückte beide an sein Herz und sagte in überquellendem Gefühl:
„Das war keine Unwahrheit, du süßes, du reines, du herrliches Mädchen. Das war der Wall, hinter den sich deine Seele flüchtete, als sie glaubte, in Bedrängnis geraten zu sein. Almy, Almy, du bist soviel und noch mehr wert als die ganze Welt. Ich werde dich bewundern und verehren, solange ich lebe, wenn auch nur aus der Ferne, ach, nur aus der Ferne!“
Er ließ ihre Händchen sinken und war im nächsten Augenblick fort. Sie aber glitt in einen Sessel und legte das Gesicht in die Hände. So lag sie lange, lange still und bewegungslos. Nur der Busen hob und senkte sich unter seligen Empfindungen, und zwischen den rosig angehauchten Fingern drang zuweilen eine Tränenperle hervor – Tränen unbegreiflichen, unfaßbaren und bisher noch ungeahnten Glückes.
Und Adler befand sich in einer ganz ähnlichen Stimmung. Das Dichterwort ‚Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt!‘ war die treffendste Schilderung seines jetzigen Seelenzustandes. Er wußte sich geliebt, und zwar so rein, so fromm, so heilig wie noch selten einer geliebt worden war. Er liebte sie wieder. Er hätte für sie alle Qualen der Erde erdulden können, ohne nur einen Laut von sich zu geben, ohne nur mit der Wimper zu zucken. Diese Qualen wären für ihn ebensoviele Seligkeiten gewesen, da er so glücklich war, sie für diese einzige zu erdulden. Aber durfte er das entscheidende Wort sagen? Durfte er an sein Leben das ihrige binden? Er dachte hinüber, jenseits des Meeres, an das gräßliche Schicksal der Familie Adlerhorst. Er war ein Sohn derselben, obgleich es ihm verboten war, hatte er den Mut gehabt, die eine Hälfte seines Namens beizubehalten, auf dem ein unlösbarer Fluch ruhte. Durfte er die Heißgeliebte mit hinab in den Abgrund ziehen, den dieser Fluch für ihn und für die Seinigen geöffnet hatte? Nein und abermals nein und tausendmal nein! Er war entschlossen, zu entsagen, aber ihr nahe zu bleiben, ein treuer Engel zu ihrem Schutz und ihrem Schirm, solange sie berufen war, auf Erden zu wandeln.
So schritt er, in selige und träumerische Gedanken versunken, im Garten hin und her, bis ihn die Stimme des Pflanzers aus seinem Brüten weckte:
„Hier seid Ihr, Monsieur Adler! Ich suche Euch überall. Eure Anwesenheit ist sehr notwendig.“
„Ich stehe zu Diensten, Monsieur“, antwortete Adler, noch halb wie im Traum.
„Schön! Es handelt sich darum, einige ebensogute Schüsse zu tun, wie damals, als Ihr auf den Bruder des ‚Roten Burkers‘ zieltet.“
„Doch nichts Ähnliches?“
„Ganz dasselbe sogar. Burkers ist in der Nähe, um sich heute nacht zu rächen. Kommt mit mir, ich will es Euch
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