51 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 03 - Jagd durch die Prärie
Verbrechen, das nur mit dem Tod gesühnt werden kann. Es sind Weiße hiergewesen, die die Gräber entweiht haben. Darum wurde zu der Zeit, als ich zum ersten Mal hierherkam, ein jedes Bleichgesicht feindselig empfangen und mit den Waffen fortgewiesen. – Hier sind wir an dem Tor. Wir werden klingeln müssen.“
Sam zog an der Glocke. Man hörte ihren Ton wie aus weiter Entfernung. Nach einiger Zeit wurde ein kleines Guckloch, das sich in dem Tor befand, geöffnet, und das Gesicht einer alten Indianerin erschien.
„Wohnt hier die ‚Taube des Urwalds‘?“ fragte der kleine Dicke.
„Paloma-Nakana wohnt hier“, lautete die Antwort.
„Ist sie daheim?“
„Sie ist da.“
„Ich habe mit ihr zu sprechen.“
„Es ist ein großes Wunder geschehen. Ihr seid Bleichgesichter, die nur Unheil bringen, und doch habe ich den Befehl erhalten, euch alle einzulassen. Kommt ihr in arglistiger Absicht, so werdet ihr dieses Haus nicht lebendig verlassen. Darum reitet lieber sogleich wieder fort.“
„Wir sind Freunde der ‚Taube‘. Wir haben uns nicht zu fürchten.“
„So kommt herein.“
Das Tor ging auf, und die Angekommenen folgten dem breiten, gewölbten Durchgang bis in einen großen, viereckigen Hof, der von den vier Flügeln des Gebäudes eingeschlossen wurde. Auch hier ließ sich kein Mensch sehen.
In jeder Seite dieses Hofes befand sich eine Tür. Hier gab es zahlreiche Fenster; aber in den wenigsten war noch der Rest einer alten Glasscheibe zu finden. Wo sollte auch hier mitten im Indianergebiet ein Glaser herkommen?
„Wer ist der Anführer?“ fragte die Alte.
„Ich bin es“, meinte Sam.
„Steig hier diese Treppe hinauf. Die anderen mögen warten.“
Sie deutete nach der Türöffnung, in der aber die Tür fehlte. Sam stieg nun vom Pferd und ging die steinerne Treppe hinan. Droben kam er auf einen Korridor. Dort stand der ältere Indianer, der ihnen draußen begegnet war.
„Du sollst den Vater der ‚Taube‘ sehen, komm mit mir!“ sagte er und führte Sam zu einer Tür, öffnete dieselbe und winkte ihm, einzutreten. Dann machte er von außen die Tür wieder zu.
Sam befand sich nun in einem hohen, düsteren Raum, der außer den nackten Steinwänden nichts als einen roh zugehauenen Tisch und einige ebenso primitive Bänke zeigte. Vor ihm stand ein Mann in indianischem Lederanzug. Sein Gesicht trug einen gewaltigen Vollbart, so daß man die Züge fast gar nicht erkennen konnte. War er ein Indianer oder ein Weißer? Das ließ sich schwer entscheiden. Er streckte Sam die Rechte entgegen und sagte:
„Herzlich willkommen, Master Barth! Ich habe mich sehr gefreut, als ich hörte, daß ich Euch einmal wiedersehen würde.“
Der Blick des Dicken forschte vergebens in dem bärtigen Gesicht nach einem Erkennungszeichen. Er schüttelte den Kopf und antwortete:
„Ich will mich auf der Stelle auffressen lassen, wenn ich weiß, wo ich Euch schon einmal gesehen habe. Ihr sprecht ein famoses Englisch, könnt also wohl kein Indsman sein?“
„Da vermutet Ihr ganz richtig. Ich bin kein Indianer, sondern ein Weißer.“
„Und der Vater der ‚Taube‘?“
„Ja.“
„Darf ich einmal mit ihr sprechen?“
„Natürlich. Eigentlich habt Ihr bereits mit ihr gesprochen. Es begegneten Euch zwei Indsmen. Mit diesen habt Ihr doch gesprochen? Der kleinere der beiden Indianer war meine Tochter.“
„Was? Donnerwetter! Ich denke, ich habe gute Augen, und – na ja, es kam mir sonderbar vor! Diese kleinen, weißen Hände, und diese Stimme. Ich bin überzeugt, daß ich diese Stimme bereits einmal gehört habe.“
„Ganz richtig, Sir.“
„Aber ich weiß gar nicht, wo. Es fällt mir da ein, gehört zu haben, daß die ‚Taube des Urwalds‘ eigentlich Almy heißt; ich kenne keine Almy außer einer einzigen – hm!“
„Wer ist diese einzige?“
„Die Tochter eines Pflanzers bei Van Buren.“
„Meint Ihr Wilkins?“
„Himmelelement! Ihr kennt den Mann?“
„Ja, ich kenne ihn, und diese da kennt ihn auch.“
Mit diesen Worten öffnete der Bärtige eine Nebentür und rief den Namen Almy hinein. Die Tochter kam auf diesen Ruf herbei. Sie war höchst einfach auf indianische Weise gekleidet. Alle Stücke ihres Anzugs bestanden aus dem feinsten, schneeweiß gegerbten Leder. Das kleine, kurze, kaum über das Knie reichende Röckchen, das enge Leibchen, das sich drall um die Fülle des Busens legte, die Gamaschen, die sich faltenlos um die Waden schlossen, die kleinen Mokassins, wie für ein Kind
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