51 - Mord auf Kregen
Am Abend wurden alle Türen fest verschlossen, und nur wenige Leute wagten sich auf die Straße.
Neben Cadades Ringald des Iarvins übel zugerichteter Leiche fanden wir ein Stück Papier in der Form eines Schildes. Der weiße Untergrund war blutbefleckt. Die mit kühnem Strich geschriebene Zahl Eins überdeckte die Bilder eines Schwertes und einer Axt.
Das machte mich nachdenklich. Es hatte bereits drei Morde gegeben, wie konnte der hier die Nummer eins sein? Es sei denn natürlich, sie hatten überhaupt nichts miteinander zu tun. Aber ich war davon überzeugt, daß sie sehr wohl zusammenhingen. Vielleicht sah der Mörder die drei Jurukker als unwichtig an. Er – oder, bei Krun, sie! – hatte mit dem Kapitän der Wache begonnen. Aber wer war dann die Nummer zwei?
Und – würde es nach der Nummer zwei noch weitere Opfer geben?
Diese Morde hatten eine Vorgeschichte. Also besuchte ich den Ersten Pallan in seinem Arbeitsgemach und fragte ihn geradeheraus.
Nachdem wir uns ein paar Bur lang unterhalten hatten, stand ich unvermittelt auf, sagte Remberee und ließ ihn zurück. Er schwor, nichts über die Morde zu wissen. Seine Hände seien sauber, behauptete er, und es sei sein einziger Wunsch, der Geschichte so bald wie möglich auf den Grund zu gehen. Und die ganze Zeit über spürte ich das mächtige Unbehagen, das wie eine unsichtbare Woge von ihm ausging.
Nun wollten die normalen Leute Kregens, die sogenannten kleinen Leute, so ziemlich das gleiche wie ihre Ebenbilder auf der Erde. Sie wollten eine hübsche Frau oder einen Mann, ein nettes Haus, nette Kinder, nette Freunde und eine nette Arbeit, die sie ihr ganzes Leben ausüben konnten – obwohl sich das im Laufe der Jahre veränderte, bei Krun. Sie wünschten sich ein nettes Preysany als Reittier oder eine Mytzer-Kutsche für die Familie, so wie sich eine irdische Familie ein Auto wünschte. Außerdem wollten sie gern an einem netten Ort einen netten Urlaub verleben.
Alle diese hübschen Dinge hätten den normalen Leuten gefallen.
Eine Reihe ungelöster, grausamer Morde vor ihrer Schwelle hingegen gefiel ihnen überhaupt nicht – obwohl sie wußten, daß Kregen ein ungebändigter Ort war.
Älteste der diversen Gilden, Priester der vielen Tempel und ernste Kaufleute machten dem Ersten Pallan ihre Aufwartung.
Das Geschick, mit dem Nath Swantram sie abspeiste, war bewunderungswürdig. Die Morde waren vereinzelte und unglückliche Zwischenfälle. Die Wache war in vollem Alarmzustand. Solange jeder die nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergriff, würde niemandem oder dessen Familie etwas geschehen. Die voneinander unabhängigen Fälle würden bald aufgeklärt sein und die bis jetzt dem Galgen entkommenen Mörder ihre gerechte Strafe erhalten.
O ja, er machte seine Arbeit wirklich gut, er ließ nicht einmal zu, daß die Angelegenheit bis zur Nazabni weitergetragen wurde. Der Erste Pallan würde sich um alles kümmern, so wie er sich immer um alles kümmerte.
Nachdem ich Ihnen von den Wünschen der sogenannten kleinen Leute erzählt habe, muß ich unbedingt hinzufügen, daß auch auf Kregen die Flamme des Ehrgeizes hell lodert. In gewissem Sinn stellte dieser feine Nath der Clis die ideale Verkörperung derartiger Wunschträume dar. Vergleiche zwischen Kregen und der Erde sind trügerisch. Man darf niemals außer acht lassen, daß sich Kregen in vielerlei Hinsicht von der Erde unterscheidet. Es besteht kein Zweifel, daß die Erde eine wunderbare Welt ist. Das habe ich schon früher gesagt. Es gibt noch viel, was sich über Solterra in Erfahrung zu bringen lohnt. Aber die Erde ist nicht Kregen.
Das Söldnerhandwerk ist hier ein weitverbreiteter Brauch. Jedes gewöhnliche Mädchen und jeder Junge können Paktun werden, und wenn sie Glück haben und mutig und resolut sind, nun – dann können sie die Welt erobern! Das brachte mich auf den Gedanken, ob es wohl von Bedeutung war, daß es sich bei allen vier Mordopfern um Paktuns handelte.
Kurz nach der Stunde des Mid erhielt diese Theorie neue Nahrung. Zwischen den Abfällen im Hof des Skoll und Durkon, einer üblen Spelunke, die von jenen besucht wurde, denen die nötigen Mittel für ein besseres Gasthaus fehlten, fand man einen Rapa – oder das, was von ihm übriggeblieben war. Normalerweise hätte man diesen Mord einem Streit zwischen den Tavernengästen zugeschrieben. In diesem Fall stand aber der schreckliche Ausdruck schieren Entsetzens unauslöschlich in das Gesicht des Rapa gestempelt.
Er war ebenfalls
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