51 - Mord auf Kregen
von Tobis beabsichtigter Zuneigung ließ ihr Tablett fallen, als eine Flasche an ihrem hübschen Kopf vorbeiflog. Tobi schrie auf und rannte auf sie zu. Chaos brach aus.
Nevko schüttelte den Kopf. »Ich muß hier weg. Kadar, wenn du mich entschuldigen würdest.«
Ich schwenkte gleichgültig die Hand. »Aber sicher. Ich habe nicht vor, mir wie Tobi ein blaues Auge zu holen. Ich bleibe hier.« Nevko nickte und ging in Richtung Hintertür.
Die Kämpfenden stolperten unkontrolliert umher. Als Yavnin die Schlägerei erreicht hatte, kam es, wie es kommen mußte; er mischte sich gerade noch rechtzeitig genug ein, um mit den Männern durchs Fenster zu stürzen. Mit dem ohrenbetäubenden Knall zersplitternden Glases und zerbrechenden Holzes durchbrach das Knäuel aus schlagenden und tretenden Leibern die Scheibe.
Ich blieb einfach sitzen und nippte an meinem Wein.
Da sich die Schlägerei nach draußen verlagert hatte, kehrte wieder so etwas wie Ruhe und Frieden ein. Der Wirt rannte umher und rang die Hände. Meine drei Trinkgefährten waren verschwunden. Das durchdringende Aroma vergossenen Ales und Weins bereicherte die stickige Luft um einen neuen Geruch. Die abendliche Unterhaltung kam wieder in Schwung.
Ich leerte den Becher und schenkte nach. In der Taverne beruhigte sich alles wieder. Von Yavnin oder Nevko war keine Spur zu entdecken. Unwillkürlich fing ich wieder an, über die verschiedenen Probleme nachzudenken, die Gafarden heimsuchten. Es wurde nur zweimal erforderlich, die Angebote der jungen Damen abzulehnen, und ich drückte jeder ein Silberstück in die Hand, um Ruhe und Frieden zu bewahren.
Allerdings wurde dieser Friede mit der ihm innewohnenden Ruhe von erneutem Gebrüll zerstört. Diesmal verrieten die Schreie, daß es sich hier um eine ganz andere Situation als vorhin handelte. Von Todesangst getrieben, stürmten Leute in den Schankraum und rannten Hals über Kopf in alle Richtungen. Ich stand auf. Männer und Frauen liefen schreiend auf die Ausgänge zu. Ich blickte an ihnen vorbei.
Ein völlig verängstigter Bursche lief geradewegs in mich hinein; den Kopf rückwärts gewandt, starrte er in die Richtung, aus der er kam. Ich behielt das Gleichgewicht, packte ihn und schwang ihn herum. Sein Gesicht sah aus wie ein ausgewrungenes Spültuch, das man in die Abfalltonne wirft, nachdem man nach dem alljährlichen Festessen der Soldatenunterkünfte alles wieder sauber hat. Er gurgelte ein paar Worte. Der Straßenslang verändert sich im Lauf der Jahre; was heute modisch ist, wird im nächsten Jahr als altmodisch verspottet. Ich werde seine Worte hier nicht wiederholen, da es sich um den typischen, kaum verständlichen Jargon handelte, den die Bewohner der Straße benutzen. Es reicht, wenn ich sage, daß ich alles verstand. Er sprach über einen Schrecken, der so groß gewesen sei, daß er ihn nicht beschreiben könne. Ich stieß ihn von mir.
Die wilde Flucht war vorbei, und ich stand allein in der Mitte der Schenke.
Da kam mir der Gedanke, daß es vielleicht doch klug sei, ebenfalls schnell von hier zu verschwinden. Ich bin ein überzeugter Anhänger des Glaubens, daß es nichts schadet, wegzulaufen – um später mit Verstärkung zurückzukehren.
Zwischen mir und der Flügeltür, durch die die Leute vor Angst schreiend gekommen waren, befand sich nur eine leere Fläche. Vielleicht hätte ich fliehen sollen. Aber ich wollte wissen, was da vor sich ging. Was hatte diese haltlose Panik ausgelöst?
Also ging ich auf die Tür zu, nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam.
Die beiden Türflügel standen weit offen. Ich blickte in den kurzen Korridor, der zu den Nebenräumen des Rokveil und Aeilssa führte.
Und ich sah es, bei Djan-Kadjiryon – ich sah es!
In einem allumfassenden Blick nahm ich das schreckliche Bild in mich auf. Ich sprang sofort zurück und drückte mich jenseits der Tür an die Wand. Ich ließ mich auf ein Knie nieder. Ich schluckte – mühsam! Dann schob ich den Kopf um die Ecke, um das dämonische Bild noch einmal zu betrachten.
Das monströse Ding hätte tot sein müssen, aber es lebte. Sein Gestank drehte mir den Magen um. Verfaulendes Fleisch baumelte herab. Schleim tropfte zu Boden. Braune Knochen bohrten sich durch zerfetzte Hautstreifen. Das abscheuliche Ungeheuer, das einst ein Mensch gewesen war – ein Apim –, wankte durch den Korridor, von einer Seite zur anderen. In der einen Knochenhand hielt es den abgetrennten Schädel eines Mannes. Der Rest von ihm lag
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