52 - Aufruhr auf Kregen
nicht vor, Tobi zu sagen, daß Tassie ein vernünftiges, praktisches Mädchen war, das ihn – vermutlich – für einen ruhelosen, ausschweifenden, wenig gefestigten Charakter hielt. Tassie hatte mich beeindruckt, als sie mit anderen meiner neuen Gefährten ein paar haarige Situationen hatte durchstehen müssen.
Dann überraschte Tobi mich.
»Jis, könntest du ... würdest du ... einmal mit ihr sprechen, bitte?«
»Nun«, sagte ich zögernd, »ich denke schon. Wenn du glaubst, das hilft. Aber Tassie scheint mir ein Mädchen zu sein, das genau weiß, was es will.«
»Oh, aye, das weiß sie allerdings.«
Mit verständlichem Zögern willigte ich schließlich ein, und ein geheimes Treffen wurde anberaumt. Dray Prescot wurde noch immer mit Haftbefehl wegen Mordes gesucht, und sie hatten den zweiten Phantom-Mord der Liste der Schandtaten hinzugefügt.
Nun hat die berühmte braune vallianische Ledertracht, zu der auch der Hut mit der nach oben gebogenen Krempe gehört, die Eigenart, daß sich die Männer ziemlich ähnlich sehen. Natürlich gibt es geringe Unterschiede im Schnitt zu entdecken, aber die Leute sehen nun einmal, was sie zu sehen erwarten, und wenn es keinen besonderen Anlaß gibt, sich das Gewand eines Mannes genau anzusehen, nun, dann sieht einer wie der andere aus.
Das war mir nur recht so, bei Krun! Mein Gesicht konnte ich nach Belieben verändern; bei der Kleidung mußte ich schon gründlicher planen.
Aber davon abgesehen, bei dem pendelnden Busen und den schwammigen Oberschenkeln der Heiligen Dame von Belschutz! Was in einer Herrelldrinischen Hölle dachte ich mir bloß dabei, mich in Tobis Privatleben einzumischen? Und dann noch in sein Liebesleben? Ich würde mich weniger verlegen als vielmehr fehl am Platz fühlen, wenn ich mit der jungen Tassie sprach. Denn da ich Tobi mein Wort gegeben hatte, würde ich mein Versprechen auch halten.
Und so brach ich, in eine anonyme vallianische Ledertracht gekleidet und mit einem anderen Gesicht, am Abend auf, als Zim und Genodras am westlichen Horizont versanken.
Und wieder leerten sich die Straßen früh und lagen verlassen da. Das Treffen fand in einem kleinen Haus am Cortilinden-Kai statt, der an den Kanal grenzte. Ich ließ meine Maske fallen und klopfte an. Die Tür schwang auf und gab den Blick auf eine dicke kleine Apimfrau mit einer mehlbestäubten Schürze frei, die sie mit geröteten Wangen schnell verschwinden ließ.
Tassie trat hinzu und übernahm das Pappattu. Die dicke Dame war Nessi Thindan. Ihr Mann, Larghos Thindan, ein großer Bursche mit dunklen Augenbrauen, schüttelte mir die Hand. Tassie stellte mich als Nath den Nachdenklichen vor, was mir ein Lächeln entlockte. Das waren ihre Freunde aus der Registratur, in der sie arbeitete. Als wir allein waren, erklärte sie mir, daß man sie keinesfalls in die Gefahr bringen dürfe, einen Flüchtigen vor dem Gesetz zu beherbergen. »Obwohl, Jis, Nath, natürlich glaube ich nicht, daß du diese schrecklichen Dinge tun könntest.« Das runde Gesicht mit den dichten Wimpern blickte mich offen an. »Und ich habe Tobis Wunsch nach einem Treffen nur zugestimmt, weil du der Herrscher bist.« Sie seufzte. »Armer Tobi!«
»Aye, Tassie. Der arme Tobi. Du weißt, warum ich hier bin. Ich kann mich nicht in dein Leben einmischen. Wenn du jemand anderen gefunden hast und die Natur ihren Lauf nimmt, welche Nachricht soll ich dann mitnehmen?«
Sie schüttelte verzweifelt den Kopf, meiner Meinung nach über die Fallgruben des Schicksals. »Der arme Tobi. Jis, du mußt ihm sagen, daß ich Logan Verlan liebe.«
»Einen Hikdar im VLD.«
»Zumindest im Augenblick. Sein Vater, der alte Strom Ornol, wird sich bald seinen Weg durch die Nebel an den Grauen vorbei suchen. Dann wird Logan zum Strom und wird den Luftdienst verlassen und ...«
Ich unterbrach sie brüsk. Doch schon bei den ersten Worten versuchte ich meinen Tonfall abzuschwächen. »Und du wirst die Stromni ...« Opaz möge mir verzeihen, es hörte sich auch so schon häßlich genug an.
Tassie lief rot an. »Ja, Majister! Aber das ist nicht der Grund. Ich liebe Logan Verlan wirklich!«
»Ich glaube dir, Tassie.«
»Logan will mich hier abholen und nach Hause bringen. Er ...«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie.
Sie legte einen Finger an die Lippen. Schnell zeigte sie mir eine Seitentür und drängte mich in die Gasse zwischen den Häusern hinaus. »Danke, Jis. Sag Tobi – sag ihm, es tut mir leid.« Ich war mir nicht sicher, ob ihre Augen
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