52 - Aufruhr auf Kregen
grimmig: »Durchbohr ihn, Samdo! Mach schon!«
Samdo hüpfte auf und ab und fuchtelte mit dem Schwert herum.
Die ganze Zeit hallte der Lärm der aufgebrachten Menge in Wellen über den Platz. Neue Rufe ertönten. »Die Stadtwache!«
Samdo kreischte: »Es ist nicht möglich, Lart!«
Lart hatte eindrucksvolle buschige schwarze Augenbrauen. Seine Nase, die auffallend schmal war, blähte sich auf, als er einen tiefen Atemzug nahm. »Ich werde dich nicht vergessen, Cramph! Slem ist mein Zeuge, wir sehen uns wieder!«
Er brüllte Samdo an, Nath den Fulleron – vermutlich den Mann auf dem Boden mit dem durchstochenen Hals – dort liegenzulassen und zu rennen, als wären die Eisenreiter von Hodan Set hinter ihm her.
Beide Schwertkämpfer wandten sich ab, liefen in eine Seitenstraße und verschwanden.
Da ich nun nicht ganz der Onker bin, als den man mich so oft beschimpft, folgte ich ihrem Beispiel und tauchte in den willkommenen Schatten unter.
6
Finstere Wolken schoben sich vor das helle Antlitz Zims und Genodras'. Ein leichter Regen, von einer sanften Brise getrieben, setzte ein, der sich wie ein kaum wahrnehmbarer Schleier über Häuser und Straßen legte. Das Kopfsteinpflaster funkelte wie sauber aneinandergelegte Äpfel. Obwohl die Sonnen noch über eine Bur am Himmel schweben würden, bevor sie am Horizont verschwänden, leerten sich die Straßen.
Ein Mann und eine Frau eilten bei meinem Näherkommen in einen Türeingang. Die Tür knallte ins Schloß. Als ich vorbeiging, hörte ich deutlich, wie ein schwerer Riegel vorgelegt wurde.
Nicht wegen des hereinbrechenden Abends. Auch nicht wegen des Regens. O nein! Die guten Bürger von Gafarden beschlossen ihr Tagwerk nur aus einem Grund so früh: wegen des Phantoms. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel, daß das verfluchte Ungeheuer zurückgekehrt war, um uns heimzusuchen. Ich war Zeuge seiner Vernichtung gewesen, hatte mit eigenen Augen gesehen, wie es von Hunderten von Pfeilen in Stücke geschossen worden war. Und doch war es zurückgekehrt – lebendig.
Mein Gesicht fühlte sich mittlerweile an, als hätte ich es in einen Bienenstock gesteckt.
Daß die zügeverändernde Wirkung schmerzte, lag nicht an der Dauer der Verwandlung, sondern an dem Kampf. Also war es Zeit, zum Haus der Dame Felima zurückzukehren. Und so drehte ich mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung davon.
Der Kyro, auf dem der Agitator Prangman den Aufruhr entfesselt hatte, lag verlassen da. In keinem Fenster der Gebäude, die den Platz umstanden, brannte Licht. Ich bezweifelte, daß die Duftende Laube heute abend ein gutes Geschäft machen würde.
Die Angelegenheit mit diesem Prangman bedurfte einer genauen Untersuchung. Er kam eindeutig aus dem Norden, wo sich die Racter wie ein Geschwür festgesetzt hatten. Hier in Urn Vennar waren wir dem Norden der Insel näher als dem Süden; es erschien mir offensichtlich, daß diese Provinz das nächste Ziel der Neo-Racter für ihre Lügen und ihre umstürzlerischen Bemühungen sein würde.
Die Dame Felima hieß mich herzlich willkommen und bestand darauf, meinen Ledermantel in der Küche zu trocknen. Sie brachte eine beachtliche Mahlzeit, die mich etwas aufheiterte. Ich aß allein in meinem Zimmer und schob mir gerade die erste Paline aus der irdenen Schüssel in den Mund, als ich den blauen Lichtschimmer in der Ecke bemerkte. Kauend setzte ich mich auf.
Das blaue Oval strahlte Magie aus, daran bestand kein Zweifel!
Das Licht verdichtete sich unablässig und nahm schließlich die vertrauten Formen und Züge von Ling-Li-Lwingling an.
»Lahal, Dray. Dir geht es gut?«
»Lahal, Ling-Li – aye, so gut, wie man erwarten kann. Und du? Und Khe-Hi? Und Deb-Lu?«
»Sehr beschäftigt, so wie immer.« Das Lächeln in ihrem hübschen Gesicht konnte die darunterliegende Sorge nicht verbergen. »Es gibt Neuigkeiten.«
»Ah.«
Sie fuhr fort und berichtete mir das Neueste aus Vondium. Da sie eine sehr mächtige Hexe aus Loh war, hatte sie sich einfach ins Lupu versetzt und dieses Abbild zu mir nach Gafarden geschickt. Für gewöhnlich stehen Zauberer und Hexen aus Loh in niemandes Diensten; sie suchen sich die Leute aus, denen sie als Klienten ihre Thaumaturgie zur Verfügung stellen.
Sie, ihr Ehemann Khe-Hi-Bjanching und der gute alte Deb-Lu-Quienyin, alles Adepten des obersten Grades, hatten sich Vallia ausgesucht. In der Vergangenheit hatten sie sich als unermeßlich wertvoll erwiesen – und als unermeßlich wertvoll würden
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