52 - Aufruhr auf Kregen
dann beflissen meinen Blick. Nun, wir mußten vernünftig an die Sache herangehen. Die Deldars und die Chuliks hatten uns einen Vorteil verschafft. Es wäre dumm gewesen, ihn nicht zu nutzen.
Die Tür am oberen Treppenabsatz führte in einen mit weichen Teppichen ausgestatteten Korridor, in dem Samphronöl-Lampen ihr sanftes Licht verbreiteten. In den Wandbehängen glitzerten goldene und silberne Fäden. Es gab keine Fenster.
Wir schlichen weiter, da sagte Sinkie: »Sie wohnen hinter dieser Tür.«
»Wer denn?« fragte Yavnin.
»Die Mütter der Verwüstung, natürlich, wer sonst?«
Als ich das hörte, krampfte sich mein Herz sofort zusammen. Schlimm genug, gegen die Rapas und die anderen kämpfen zu müssen, aber gegen Frauen zu kämpfen, selbst gegen Kreaturen wie diese Furien, das war nicht gut.
Der Verwirrte blieb stehen und wandte sich mir zu. »Jis ... Diese ... Frauen ...«
Feringhim nickte. »Aye, Jis.«
»Sie werden jeden angreifen, der ohne die nötige Vollmacht durch diese Tür schreitet.« In Tobis Worten lag eine tiefe, sorglose Zufriedenheit. »Ausgezeichnet!« Er drängte sich mit gezücktem Lynxter an die Spitze. »Jetzt kann ich als erster gehen.«
Ein schneller Blick zeigte mir erboste Gesichter und sich öffnende Münder. Diese tapferen Männer waren im Begriff, sich wütend darüber zu streiten, wer als erster hineinging. Ich sagte: »Ich gehe als erster. Queyd-arn-tung!«
Tobi wollte etwas erwidern – trotz meines ausdrücklichen Befehls, daß es dazu nichts mehr zu sagen gab. Ich warf ihm einen durchdringenden Blick zu und trat vor.
Was uns hinter der Tür erwartete, mußte schnell erledigt werden, darum schob ich den Drexer zurück in die Scheide und zog die Krozair-Klinge.
»Zair sei mit uns!« murmelte Zygon leise. Ich trat die Tür ein.
Tiefe Stille empfing uns, nachdem das Bersten des Holzes verklungen war. Der Raum war völlig dunkel. Man sah soviel wie in einer Nacht des Notor Zans. Mein Flüstern war so scharf wie das Fauchen eines Leems. »Licht!«
Jemand schlug Feuerstein und Stahl zusammen. Der sanfte Knall, als sich aus dem Funken eine Flamme entzündete, hallte mir laut in den Ohren wider.
Noch bevor die Fackel den Raum erhellen konnte, verriet mir der Geruch, welch ein Anblick uns erwartete.
Das Licht flackerte auf eine Weise über die Wände, die unseren geschärften Sinnen gespenstisch vorkam. Unmittelbar hinter der Tür führte ein kleiner Korridor zu einem Durchgang, dessen verhüllender Vorhang abgerissen am Boden lag. Die Wände waren blutbespritzt. Auf dem Boden lagen dicke Blutpfützen. Der bittere Gestank füllte den Raum mit einem würgenden Pesthauch.
Wir hatten die Mütter des Mutes gefunden. Sie lagen überall. Wir hatten auch Nath Swantram gefunden, den Ersten Pallan.
Das heißt, wir hatten seinen Kopf gefunden. Er lag auf dem Schreibtisch, als hätte man ihn dort absichtlich abgelegt.
Der Rest seines Körpers mußte sich irgendwo zwischen den Körperteilen der Mütter des Mutes befinden.
»Das Phantom!« keuchte Tobi. »Es kann nicht anders sein! Es war das verdammte Phantom!«
In dem unheimlich flackernden Fackelschein richteten sich alle Blicke auf Tralgan Vorner, der Nalgre Nevko gewesen war.
Und in jedem der Blicke lag eine vernichtende Anklage.
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»Ich schwöre es! Ich schwöre es beim Grab meines Vaters!« Tralgan Vorner starrte uns in dem flackernden Licht an. »Um der süßen Liebe Opaz' willen – das Phantom! Ich habe es gehört – ich habe gehört, wie es starb! Ich schwöre es!«
Die anklagenden Blicke bohrten sich weiter in ihn. Wie sollten wir angesichts dieser schrecklichen Beweise vor unseren Augen seinen Worten Glauben schenken?
Naghan Raerdu faßte es in Worte. Er sagte ernst: »Sieh dich um, Tralgan Vorner. Ist das das Werk von Menschenhand?«
Vorner fuchtelte mit dem Schwert herum. »Ich sage euch! Nein ... nein ... das könnte kein Mensch schaffen. Aber ... aber ...«
»Du hast gesagt, du hättest das Phantom kreischen gehört«, stellte Yavnin nüchtern und unerbittlich fest. »Dann hat es schrill gejammert, und dann ...«
»Und dann war nichts mehr zu hören! Kein Laut. Ich war weg. Weg! Die Thaumaturgin muß verwest sein. Sie konnte ohne mich nicht überleben.«
Die Anspannung hielt uns alle in Bann. Die Luft knisterte förmlich vor unterdrückter Leidenschaft. Einmal vorausgesetzt, Tralgan Vorner sprach die Wahrheit, wie kam dann dieses Schlachtfest zustande? Und falls er log – aus welchem
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