52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
habe. Ich erzähle ihm gerade, dass ich jeden Tag die Stellenangebote studiere, aber einfach nichts Passendes dabei ist. »Ich bin mir sicher, das wird sich ganz von selbst lösen«, sagt er und richtet seine volle Konzentration auf seine Schweinekoteletts.
Das Gespräch verstummt. Ich bin wütend. Da habe ich deinen Vorrat an Mitgefühl ofenbar aufgebraucht, was ?, denke ich. Sag mir einfach Bescheid, wenn ich dich langweile. Darüber haben wir schon öfter gestritten. Über seine Angewohnheit, sich aus einer Unterhaltung einfach auszuklinken, wenn es ihm zu schwierig wird. Eine Weile starre ich ihn an, aber
das zeitigt bei einem Mann, der den Blickkontakt verweigert, natürlich keinerlei Wirkung. Schließlich sage ich: »Du weißt genau, wie man ein Gespräch zum Erliegen bringt, was?«
Er schenkt mir einen dieser erschrockenen Blicke, als fürchte er, dass ich ihm im nächsten Moment meinen Wein ins Gesicht schütten könnte. Er wird alles tun, um Aufsehen zu vermeiden. Ich hole tief Luft und versuche es freundlicher. »Ich kann wirklich nur schwer damit umgehen, wenn du dich einfach so aus dem Gespräch zurückziehst. Ich brauche manchmal deine moralische Unterstützung. Da reicht es nicht, dass du dich ganz offensichtlich langweilst.«
»O Gott«, sagt Herbert, »bitte nicht hier.«
»Ich fange keinen Streit an. Ich fühle mich nur einfach im Moment sehr gestresst. Ich habe das Gefühl, als würde alle Unsicherheit in unserer Beziehung auf meinen Schultern lasten. Als wäre ich allein für alle nötigen Veränderungen zuständig. Manchmal muss ich auch darüber sprechen können.«
Ich kann nicht genau sagen, warum, aber irgendwie schlägt die Stimmung um, und ich bemerke, dass Herbert mit den Tränen kämpft. In der ganzen Zeit, seit ich ihn kenne, habe ich ihn vielleicht zehnmal weinen sehen. Er ist eigentlich kein Typ, der nah am Wasser gebaut ist.
»Alles in Ordnung?«, frage ich.
Er klingt heiser. »Ich … ich bin im Moment bloß ein wenig niedergeschlagen.«
Über den Tisch hinweg drücke ich seine Hand. »Das habe ich auch schon bemerkt«, sage ich. »In letzter Zeit nimmt dich alles so mit.«
»Ja.«
»Hast du eine Ahnung, woran das liegen könnte?« Er schüttelt den Kopf und zählt Stress bei der Arbeit, seinen Unfall und eine Reihe von Kleinigkeiten auf. »Dabei weiß ich, dass mir das eigentlich gar nicht zusteht«, sagt er und kämpft schon wieder mit den Tränen, »wenn ich daran denke, was du durchmachst. Das ist einfach unerträglich.«
Danach unterhalten wir uns noch lange. Es ist selten, dass er so offen über seine Gefühle spricht. Weil wir beide so viel Kummer hatten, haben wir wohl vergessen, uns genug um einander zu kümmern. Im Moment ist Herbert offenbar sehr verwundbar. Sein Unfall war zwar geringfügig, hat ihn aber völlig unvorbereitet getroffen und entsprechend verunsichert. Im Job hatte er Konflikte mit Kollegen auszutragen. Der Körper seiner Frau will nicht so, wie er soll. Und sein eigenes Verlangen hat nachgelassen, ohne dass er wüsste, warum.
»Machen die Verführungen alles noch schlimmer?«, frage ich.
»Nein«, antwortet Herbert. »Sie setzen mich zwar unter Druck, aber ohne sie hätten wir wahrscheinlich ganz aufgehört, miteinander zu schlafen. Es fällt mir nur schwer, mich wie früher selbst zum Sex zu motivieren. Es kommt mir vor, als würde ich etwas vortäuschen. Selbst wenn es gut läuft, ist es nicht mehr so wie damals.«
Das sollte mich eigentlich umhauen, aber ich bin eher froh, dass Herbert es zugibt. Jahrelang habe ich die Verantwortung für unser erlahmendes Liebesleben getragen, doch nun wird mir klar, dass meine abflauende Lust seine kaschiert hat.
Seit wir mit den Verführungen begonnen haben, bin ich mehr aufgeblüht als er. Ich habe mich ganz schön verändert, während sich bei ihm noch nicht so viel getan hat. Schließlich hatte er sich bequem in der Rolle des leidenden Ehemannes eingerichtet, dem von seiner desinteressierten Frau verweigert wird, was ihm eigentlich zustünde, und der sich eben mit Masturbieren unter der Dusche behilft. (Letzteres hat er sich jedoch auch schon vor Jahren abgewöhnt, nachdem ich ihn mal zufällig dabei ertappt hatte.) Herbert hat sich jedoch nicht wie viele andere Männer in den Schmollwinkel zurückgezogen oder versucht, Druck auf mich auszuüben. Doch jetzt dränge ich auf häufigeren, fantasievolleren und leidenschaftlicheren Sex und sage seit Neuestem zu allem ja, worum er mich bittet. Nun hat er
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